Zunächst ohne Euro-Bonds, aber mit automatischen Strafen?

Der dauerhafte Rettungsmechanismus soll auf 2012 vorgezogen aber die private Gläubigerbeteiligung zurückgefahren werden

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Beim Treffen zwischen der Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in Paris hat sich Merkel in der Frage der Euro-Bonds offenbar durchgesetzt. Sie sollen, anders als erwartet, nach dem Willen Deutschlands und Frankreichs weiterhin nicht kommen. Dafür sollen die privaten Gläubiger bei einem möglichen Schuldenschnitt weiter entlastet werden, der im dauerhaften Krisenmechanismus vorgesehen ist. Der Fonds soll nun statt 2013 schon 2012 stehen, der auch Staatspleiten möglich macht. Für schwächere Formulierung zur privaten Gläubigerbeteiligung soll es deutlich schärfere Haushaltsregeln und automatische Sanktionen bei Regelverstößen geben.

Ob aber die Euro-Bonds längerfristig real aufzuhalten sind, ist dagegen weiterhin eher zweifelhaft. Doch offenbar wollte Merkel das Thema mit aller Gewalt vom Gipfel zum Wochenende fern halten, nachdem lange über die Frage gestritten wurde und diese auch als "Elite-Bonds" durch die Diskussion gegeistert sind.

Sarkozy ist mit seiner Forderung nach Eurobonds umgefallen, was sein Ansehen in Frankreich weiter verschlechtern dürfte, wie sich auch das der Deutschen allgemein beim Nachbar immer weiter verschlechtert. Die französischen Sozialisten, welche die Wahlen im nächsten Frühjahr gewinnen dürften, sprechen schon jetzt davon, dass Merkel eine deutsche Vorrangstellung in Europa zementieren wolle.

Merkel und Sarkozy wollen nun dafür sorgen, dass die europäischen Verträge nach dem Wunsch Berlins noch vor diesen Wahlen geändert werden. Wenn das in der EU der 27 Mitgliedsstaaten nicht durchsetzbar wäre, soll dies zunächst nur für die 17 Länder der Eurozone gelten. Merkel zeigte sich aber "offen für andere, die dabei mitmachen wollen". Ob sie auch offen dafür ist, dass einige Länder aus der Euro-Zone dabei nicht mitmachen, sagte sie nicht. Sie will mit Sarkozy die Veränderungen bis März 2012 durchpeitschen. Es soll auch der dauerhafte Krisenmechanismus vorgezogen werden, wenn der derzeitige temporäre Rettungsfonds (EFSF) zum Normalzustand mutiert und dann ein "Europäischer Stabilitätsmechanismus" (ESM) sein soll (Wie ein Krisenmechanismus zum Normalzustand mutiert). Merkel hofft, dass der ESM schon Ende 2012 in Kraft treten kann und nicht erst 2013, wie es einst geplant war.

Private Gläubiger sollen geschont werden

Die armen privaten Gläubiger sollen dann allerdings noch weniger zur Kasse gebeten werden können, als ohnehin schon geplant war. Denn ursprünglich war für den ESM vorgesehen, dass auch Staatspleiten möglich werden sollen. Ein möglicher Schuldenschnitt (Haircut) dabei soll für sie dann noch geringer ausfallen. Denn vorgesehen war auch bisher nur schwammig, dass beim Auftreten des "unerwarteten Falls" einer Staatspleite (die ja in Griechenland feststeht), auch private Gläubiger wie Banken mit einem Forderungsverzicht oder Forderungsaufschub an der Rettung teilweise beteiligt werden könnten.

Nun solle die Einbeziehung des Privatsektors im Zuge des künftigen Rettungsschirms ESM nur noch nach den Regeln des Internationalen Währungsfonds (IWF) erfolgen. Hier zeichnen sich also schon die Grundzüge des Europäischen Währungsfonds (EWF) ab, wie er erneut auf die Tagesordnung gehoben wurde (Europäischer Währungsfonds wieder im Programm). Dass der ESM dann wohl zum Euro-IWF mutieren dürfte, darauf weist nicht nur die Diskussion, sondern auch die schwache Beteiligung privater Gläubiger nach IWF-Muster und die nun geplanten Durchgriffrechte auf souveräne Staaten hin.

Da man die Banken, Versicherungen und Rentenfonds also im Ernstfall eines Haircuts noch deutlich geringer zur Kasse bitten will, wollen Merkel und Sarkozy deutlich schärfere Haushaltsregeln durchsetzen. Das ist der Kniefall vor den Spekulanten, die als angebliche Verunsicherung der Anleger bei Staatsanleihen der Euro-Länder getarnt wird. Die privaten Geldgeber sollen wieder das Rundum-Sorglos-Paket bekommen, damit sie abgesichert durch den Steuerzahler praktisch ohne Risiko ihre Geschäfte mit Staatsanleihen machen können. Merkel und Sarkozy haben betont, dass der freiwillige Forderungsverzicht im Falle Griechenlands eine Ausnahme bleiben soll. Genau das hatte der Chef der Deutschen Bank kürzlich gefordert.

Details sind ohnehin noch nicht auf den Tisch, zunächst ist das die übliche heiße Luft derer, die sich als Quasi-Regierung der EU aufspielen. Ob sie damit beim EU-Gipfel durchkommen, darf abgewartet werden, schließlich wächst der Unmut über die Achse Berlin-Paris. Detailliert sollen die Vereinbarungen erst am Mittwoch in Form eines Briefs an den EU-Präsidenten Herman van Rompuy dargelegt werden. Einigermaßen klar ist nur, dass es eben auch automatische Sanktionen für Haushaltssünder geben soll, über die nun schon eine ganze Weile unfruchtbar gestritten wird. Es sollen auch einheitliche Schuldenbremsen im Euro-Raum geben sowie Überprüfungen durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Rolle der EZB bleibt offen

Man darf gespannt sein, welche Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) künftig zukommen soll. Dass man sich bisher dazu weitgehend ausschweigt, lässt tief blicken. Vor allem wenn Merkel nun Sarkozys Sprachregelungen übernimmt, wonach die EZB unabhängig bleiben soll. Das hatte er erst kürzlich damit verbunden, dass der Zentralbank eine tragende Rolle in der Schuldenkrise zukommen soll. Doch damit meinte er die Aufstockung der umstrittenen Aufkäufe von Staatsanleihen. Unabhängigkeit, um für Geldwertstabilität zu sorgen, und Anleihekäufe, mit denen die Notenpresse nach politischen Vorgaben angeworfen und die Inflation angeheizt wird, sind aber ein Widerspruch in sich selbst.

Eigentlich sollte die EZB diesen Tabubruch aufgeben. Diese Aufgabe sollte der Rettungsfonds übernehmen. Doch dessen Aufgabe wird immer fraglicher, nachdem klar ist, dass er nicht einmal wie geplant auf eine Billion Euro gehebelt werden kann. An irgendeiner Stelle muss Merkel gegenüber den Forderungen des französischen Präsidenten eingeknickt sein. An der Stellung der EZB könnte das der Fall sein. Denn die Unabhängigkeit der EZB braucht man nicht zu beschwören, wenn man sie nicht angreifen will. Ohnehin hat man sie längst massiv ausgehöhlt.

Die Frage der EZB ist in Deutschland ein heikler Diskussionspunkt. Eine sehr lockere Geldpolitik nach Muster der US-Notenbank kommt dort schlecht an. Deshalb wird sich Merkel in der Frage so lange wie möglich bedeckt halten, um die neue EZB-Politik dann als "alternativlos" zu bezeichnen. Irgendetwas muss sie schließlich anbieten, um ihre Ablehnung gegen Euro-Bonds abzusichern. Sie weiß aber, dass sie in Deutschland damit sogar in der Bankenlobby auf Widerstand stoßen wird. Schließlich musste sie schon bisher diverse ungewollte Abgänge wegen ihrer geldpolitischen Lockerungsübungen verzeichnen. Deshalb ist nun der EZB-Chef nicht der deutsche Axel Weber und auch der Chefvolkswirt Jürgen Stark ist ihrem Kurs zum Opfer gefallen.

Deutschland und Frankreich sind selbst keineswegs Vorreiter der geforderten Stabilitätskultur

Wie Sarkozy zum Beispiel ohne die oppositionellen Sozialisten die Verfassung noch vor den Wahlen ändern will, um wie Deutschland oder Spanien eine Schuldenbremse darin zu verankern, bleibt ein großes Geheimnis von Merkel und Sarkozy. Und Frankreich wäre auch derzeit eines der Länder, das die geplanten automatischen Sanktionen schon jetzt erleiden müssten, dafür müssen keine Stabilitätskriterien verschärft werden. Niemand glaubt ernsthaft daran, dass ausgerechnet der kleine Franzose seine Versprechen gegenüber Brüssel einhält. Paris soll sein hohes Haushaltsdefizit im laufenden Jahr auf 5,7% senken, was kaum gelingen kann. Denn bei der Zusicherung hatte man in Paris auf Wachstumsraten gebaut, die sehr sandig waren. Inzwischen war wieder Stagnation angesagt (Auch Deutschland stagniert) und die optimistischen Wachstumsprognosen musste die Regierung längst auch für 2012 deutlich nach unten korrigieren.

Frankreich ist wahrlich nicht das Land, das sich als positives Beispiel für die Einhaltung der Stabilitätskriterien hervorgetan hat. Frankreich und Deutschland waren die beiden ersten Länder, die das Ziel eines Haushaltsdefizits von höchsten 3% nach dem Maastricht-Vertrag gebrochen haben und damit den Startschuss für kleinere Länder gaben, es ihnen nachzutun. Beide Länder sind auch weit davon entfernt, die bisherige Verschuldungsgrenze von 60% der jährlichen Wirtschaftsleistung einzuhalten, was Spanien aber Ende 2010 noch geschafft hat. Frankreich und Deutschland stehen mit ihrer Verschuldung auf der Liste aber direkt hinter dem Absturzländern Irland und Portugal .

Man ist also offensichtlich wieder dabei, wie seit drei Jahren üblich, den nächsten Flicken über den Flicken zu setzen, um kurzfristig die Lage mit der Hoffnung zu beruhigen, dass sich der Sturm irgendwann legen wird. Damit hatte man am Montag sogar bescheidenen Erfolg. Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen von Risikoländern gingen angesichts der Hoffnung zurück, dass man vor den Finanzmärkten in die Knie geht. Spaniens zehnjährige Anleihen wurden "nur" noch mit einem Aufschlag von 300 Basispunkten (3 Prozentpunkten) gegenüber Bundesanleihen gehandelt. Italienische Anleihen wurden wieder unter der Absturzmarke von 7% gehandelt. Doch auch die 6,2% sind für den Schuldenmeister mit zwei Billionen Euro Staatsschulden weiterhin unerträglich. Dazu reicht eine simple Rechnung. Die Verdoppelung der Zinslast in den letzten Wochen frisst das Sparpaket von 30 Milliarden Euro, das die neue "Technokraten-Regierung" unter Tränen beschlossen hat, schneller auf, als die Regierung die Maßnahmen wohl umsetzen kann. Denn die Verdoppelung der Zinslast bedeutet grob gerechnet, dass allein im ersten Jahr etwa 50 Milliarden Euro mehr in die Kassen der Geldgeber gespült werden.

Man muss wirklich kein Wahrsager sein, um vorhersagen zu können, dass Griechenland wohl kein Einzelfall bleiben wird, weil demnächst auch Portugal die Nothilfe 2.0 benötigt. Auch das Land wird in den Ruin gespart und damit werden neue Finanzhilfen nötig. Sogar die konservative Regierung geht längst davon aus, dass sie neue Milliarden brauchen wird, weil sie nicht wie geplant an den Kapitalmarkt zurückkehren kann. Eigentlich waren auch schon Ansätze dazu zu hören, dass die Wettbewerbsfähigkeit von Problemländern verbessert werden soll, die einige als das zentrale Problem der Krise sehen.

Deshalb wird insgeheim als Plan B längst über die Aufteilung Europas nachgedacht, denn mit einer Rückkehr zu einer nationalen Währung oder durch die Aufteilung der Euro-Zone in eine Zone für einen "Stark-Euro" und einen "Schwach-Euro" hätte man die nötige Abwertung, um die Wettbewerbsfähigkeit mit einem Schlag zu verbessern. Man könnte sogar vermuten, dass durch harte Auflagen nun einige Länder dazu gedrängt werden könnten, freiwillig die Euro-Zone zu verlassen. Dass man nicht mehr darauf setzt, die zukünftigen Kriterien auf alle 27 Länder anzuwenden, ist der erste deutliche Schritt in diese Richtung.