Zypern: UN-Truppen angegriffen

Archivbild vom November 2014: UN-Blauhelme auf Zypern.

Russland stellt sich auf die Seite der türkisch-zypriotischen Aggressoren. Reaktionen der EU verhalten: Gibt es eine selektive Sensibilität gegen gewaltsames Verschieben von Grenzen?

Die EU-Politik versprach im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg eine Zeitenwende und beteuerte, dass gewaltsame Versuche, Grenzen zu verschieben, mit Sanktionen und konsequenter Isolation des jeweiligen Aggressors begegnet werden würde.

Die Fehler der vergangenen Jahrzehnte, nur auf beschwichtigende Mahnungen zu setzen, sollten nicht wiederholt werden. In der Realität sieht es, wie das aktuelle Beispiel aus Zypern zeigt, vorerst anders aus.

Es gibt den allgemeinen Aufruf, eine diplomatische Lösung zu suchen und Gewalt zu vermeiden. Pikant ist zudem, dass sich Russland aufseiten der Aggressoren stellt.

Die bisherigen Reaktionen der EU auf den Vorfall in Zypern sind eher verhalten. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte die türkisch-zyprische Seite auf, die Befugnisse der UN-Mission innerhalb der Pufferzone zu respektieren.

Vom EU-Ratspräsidenten Charles Michel gab es über X, früher als Twitter bekannt, die Feststellung, dass die Sicherheit der UN-Blauhelme und eine Deseskalation der Lage oberste Priorität habe.

Großbritannien, Frankreich und USA: Ernsthaft besorgt

Das britische Hochkommissariat, die französische Botschaft und die US-Botschaft in Zypern äußern ihre "ernsthafte Besorgnis über den Beginn des unbefugten Baus einer Straße, die von Norden in die von den Vereinten Nationen festgelegte Pufferzone zum bikommunalen Dorf Pyla/Pile führt" und verurteilen "die Angriffe türkisch-zypriotischer Streitkräfte auf Friedenstruppen der Vereinten Nationen".

Es ist alles wie gehabt, "einigt euch doch" übersetzen die Griechen derartige internationale Reaktionen.

Gewaltsamer Verstoß gegen das Völkerrecht

Angegriffen wurden UN-Friedenstruppen der UNFICYP bei Pyla. Drei Blauhelme wurden bei dem Vorfall verletzt. Die Friedenstruppen erklärten, dass Drohungen gegen die Sicherheit von UN-Friedenstruppen und Schäden an UN-Eigentum "inakzeptabel seien und ein schweres Verbrechen nach internationalem Recht darstellen, das im vollen Umfang des Gesetzes verfolgt wird".

Damit wird ein offensichtlicher, gewaltsamer Verstoß gegen das Völkerrecht umschrieben. Im UN-Sicherheitsrat blockiert einzig Russland eine Verurteilung der Aggression.

Die Aggression ging von Bewohnern des türkisch besetzten Nordteils der Insel aus dem international nicht anerkannten Staatengebilde Nordzypern aus. Sie wollen in der unter UN-Verwaltung stehenden Pufferzone eine Straße bauen, die zwei ihrer Orte miteinander verbinden soll. Die UN untersagt den Straßenbau.

Versuch, Fakten zu schaffen

Die Regierung Zyperns sieht darin einen Versuch der türkischen Seite, "Fakten zu schaffen" und einen Teil der sogenannten "grünen Zone", und sich einen Teil der Pufferzone einzuverleiben. Die Regierung in Nikosia erklärt, dass es Pläne der türkischen Seite für derartiges Handeln an mehreren Punkten der neutralen Zone gäbe.

Sie befürchtet, dass derartige Straßen zudem für Schmuggel und das Einschleusen von Geflüchteten in den Süden der Insel, und damit in EU-Gebiet, dienen könnte. Seitens der türkischen Seite wird der Straßenbau als "humanitäres Projekt" beschrieben.

Von türkischer Seite wird der UNFICYP Einseitigkeit vorgeworfen. Die Friedenstruppe wacht seit dem August 1974 über die Pufferzone und die Einhaltung des Waffenstillstands zwischen beiden verfeindeten Seiten. Pyla auf der türkischen Seite als Pile bekannt, ist eine Gemeinde der Provinz Larnaca auf Zypern, innerhalb der Pufferzone.

Sie wird von der Friedenstruppe der Vereinten Nationen in Zypern verwaltet. In der Gemeinde leben ethnisch türkische und ethnisch griechische Zyprioten mehr nebeneinander als miteinander.

Die Zypernfrage

Die Insel ist seit der türkischen Invasion von 1974 geteilt. Vorangegangen war ein von dem US-gestützten Militärdiktator Griechenlands Dimitrios Ioannidis initiierter Putsch gegen den explizit blockfreien Präsidenten Zyperns, Erzbischof Makarios.

Ioannidis wollte nicht nur Makarios absetzen und ein nationalistisches Marionettenregime einsetzen, sondern auch Zypern an Griechenland anschließen. Letzteres konnte die Türkei, neben Griechenland und England eine der drei Garantiemächte des 1960 von Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassenen Inselstaats, nicht akzeptieren.

Es kam zu einem bewaffneten Konflikt zwischen zwei Nato-Partnern, bei dem die Zyprioten, ob ethnisch türkisch oder griechisch zum Spielball wurden. Es folgten "ethnische Säuberungen" und bis heute unbekannte Schicksale von vermissten ethnisch griechischen Zyprioten.

Türkischstämmiger Insulaner im türkischen Teil von Nikosia, der gerade ein Porträt von Atatürk abstaubt. Archivbild: W. Aswestopoulos

In späteren Interviews deutete Ioannidis an, dass er für seinen Putsch seitens der USA grünes Licht erhalten habe. Er ging offenbar davon aus, dass es vom Nato-Partner Türkei keine Reaktion geben würde. Ioannidis sagte zum damaligen Staatssekretär im US-amerikanischen Außenministerium Joseph J. Sisco:

"Sie haben uns verraten! Sie hatten uns versichert, dass Sie jede türkische Invasion verhindern würden."

Die griechische Militärregierung wurde 1967 im Kalten Krieg mit Unterstützung der USA aus Angst vor einem politischen Linksrutsch in Griechenland installiert.

Bis heute wurde die "Zypernfrage", die gewaltsame Teilung der Insel, nicht überwunden. Im türkisch besetzten Gebiet siedeln sich zum Ärger der Republik Zypern Türken vom Festland an.

Sämtliche Bewohner der gesamten Insel, die ein Verwandtschaftsverhältnis zu den vor der Invasion registrierten Staatsangehörigen von Zypern haben, gelten als EU-Bürger, egal ob sie im besetzten Norden oder im Süden leben.

Russland hat, auch aus Ärger über die griechische Unterstützung für die Ukraine, die vorher eher die Griechen favorisierende Haltung abgelegt und will im international nicht anerkannten Nordzypern ein Generalkonsulat einrichten. De Jure gilt Nordzypern als Teil der EU, in dem es jedoch wegen der Invasion keine EU-Verwaltung gibt.