aether.3 - ein Spiel

Eine Performance in München als Teil der Versuchsreihe zur Erforschung dialogischer Situationen.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Aether 3 ist der Versuch einen visionären Weltentwurf in Gesprächen zu skizzieren, es schließt Aether 1 und 2 an, die in 1998 in Berlin und 1999 in Hellerau bei Dresden stattfanden. Nächste Station wird Zürich sein. Aether.org formiert sich immer wieder neu als Team aus einem Pool von Einzelpersonen, es geht um die Grundfragen des Lebens

Utopie und Menschenbild

Das Ganze wurde auch unter den Teilnehmern als Spiel konstruiert, dessen Regeln sich alle unterwarfen. Die zentralen Fragen an alle waren: Wie wollen wir wohnen und arbeiten? Welche Kommunikationformen wünschen wir uns? Wie sollen unsere Städte aussehen und funktionieren? In welchem Verhältnis sehen wir uns zur Natur? Wie sollte ein soziales, ein politisches, ein ökonomisches System aufgebaut sein? Was für Verpflichtungen wollen wir haben? Wie bewerten wir Fähigkeiten? Wie wollen wir unsere wissenschaftlichen Fähigkeiten einsetzen? Wie verwerten wir unseren Müll? Wie funktionieren Verkehr und Transportmittel? Wie wollen wir alt werden? Wie wollen wir sterben?

Im Reaktor, einer sonst leer stehenden Betonhalle der Technischen Universität, steht für 10 Tage der Campingplatz der Utopien. Fünf Wohnwagen gruppieren sich auf Rasenimitat, dazwischen stehen Liegen für die Besucher. Auf den ersten Blick beinahe eine Idylle der modernen Wochenendnomaden. Die geblümte Lauschigkeit der Innenräume schirmen das grünliche Neonlicht von Draußen ab. Nähert man sich einem der Wagen aktivieren Sensoren die aufgenommenen Gespräche. Künstler, Wissenschaftler, Philosophen und eine glückliche Arbeitslose (nach Selbstauskunft) sprechen über mögliche Lebensentwürfe, ihr Leben, Vergangenheit und Visionen naher Zukunft. Insgesamt 22 Gesprächstunden sind aktivierbar. Das Mitlauschen fremder Gedanken ist wie ein Abhören fremder Telefonate, es schafft für den Besucher neue Bedeutungen.

"Auch wenn es aussieht, als könnten wir die Wirklichkeit nicht verändern, so können wir die Veränderung denken und kommen ihr so jedesmal ein Stück näher." - Platon (Satzarchiv Aether)

Vernetzungen von Ideen entstehen, auch durch die Reflektion der Performance auf die Website. Dort kann jeder einen selbst formulierten visionären Gedanken in das Satzarchiv eingeben. Dieser Satz wird aufgenommen und wie alle anderen aus dem Archiv, elektronisch nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, um in die Performance gegen eine der gigantischen Betonwände projiziert zu werden. Dort erscheinen dann Zitate wie "Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie sich nehmen." (Meret Oppenheim) oder völlig sinnlose Wortaneinanderfügungen.

Der Besucher kann aber vor Ort auch ein Gespräch mit einem der zehn Mitspieler vereinbaren und wird dann telefonisch verbunden, um sich auszutauschen. "Gedanken-Jam-Sessions" können konsumiert oder selbst inszeniert werden. Diese Live-Gespräche werden sofort teil von Aether3 in der Halle.

Ergänzend zur Installation gibt es zwei Computer, auf denen Informationen zu den Visionen abgerufen werden können; in der Camper-Bar mit Suppenküche liegen Ordner mit Artikeln und Aufsätzen zu den angesprochenen Themen aus. Dabei sollen hier auch Gespräche unter den Besuchern angeregt werden.

Es funktioniert. Plötzlich sind wir mitten im Gespräch über Masken und Eigeninszenierungen. Und geben dann jeder online noch einen Satz ins Archiv ein.

Mitspieler sind: ANDRES BOSSHARD, Klang, Zürich; CHRISTIAN BROUDER, Physik, Paris; CALC -Kulturlabor, L.A. (Las Acenas), Navia - Spanien, N55, Kunst, Kopenhagen; STEFAN MÜNKER, Philosophie/Medien, Berlin; KYONG PARK, Architektur/Urbanismus/Kunst, New York/Detroit; LINDE SALBER, Psychologie, Köln; WOLFGANG SCHMIDT, Kultur/Ethnologie, unterwegs; DETLEV SCHNEIDER, Theater, Berlin; MILA ZOUFALL, Glückliche Arbeitslose, Berlin.

Das Projekt ist eine Kooperation von Penelope Wehrli und Kyra Stratmann mit dem Bayerischen Staatsschauspiel/Marstall und Stadtforum. In Zusammenarbeit mit DepArtment, Hamburg.

In München: 9. - 18. Februar 2001, täglich 18-2 Uhr in der Reaktorhalle, Gabelsbergerstr./Ecke Luisenstr.