e-paper: Online lesen wie gedruckt

Aber wer nicht abonniert, bekommt nichts zu lesen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Immer mehr Zeitungen sperren ihre Online-Leser aus. Wer die komplette Ausgabe dennoch weiterhin übers Internet lesen möchte, der muss das Blatt vorab abonnieren. Zu den ersten Zeitungen, die diesen Weg eingeschlagen haben, gehört die FAZ. Jetzt folgt diesem Frankfurter Vorbild das hannoversche Haus Madsack, der größte norddeutsche Zeitungsverlag.

Wie schon das Handelsblatt, der Südkurier oder die Rhein-Zeitung setzt man bei den hauseigenen Zeitungen des Verlages, also vor allem bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ ) und der Neuen Presse, zukünftig auf "e-paper". Hinter diesem modern klingenden Zauberwort verbirgt sich allerdings ein doch eher simpler Vorgang: Online gestellt werden nämlich als html-Datei die Seiten der aktuellen Ausgabe. Und da man dabei auf eine redaktionelle Bearbeitung verzichtet, spart dies dem Verlag gerade in der andauernden Branchenkrise kostbare Arbeitszeit.

Verkauft wurde diese Sparmaßnahme bei ihrem Start vergangene Woche jedoch als zusätzliche Serviceleistung - und besonders schlau als:

(R)Evolution! Die HAZ ist als erste Tageszeitung Norddeutschlands Seite für Seite im Internet zu sehen.

Doch leider erwies sich ausgerechnet der Vorsitzende der Geschäftsführung des Verlages, Friedhelm Haak, als PR-Konterrevolutionär. Während der Bilanzvorlage seines Verlages sagte er mit Blick auf das Internetgeschäft der Zeitungsbranche, dass dort "eigentlich alles schief gegangen" sei. Nun seien die Lehrjahre vorbei. Die Abonnenten der Madsack-Zeitungen könnten ihr Blatt und zusätzlichen Service neuerdings komplett im Netz finden, für alle anderen werde das kostenlose Angebot auf ein Minimum reduziert.

Von dieser Sparmaßnahme betroffen ist aber offensichtlich nur der redaktionelle Teil, weil nach einem Bericht des Handelsblattes der Verlag Madsack mit der Vermarktung über das Internet recht erfolgreich ist: "Inzwischen laufen rund ein Drittel der privaten und gewerblichen Anzeigen online ein, Ende des Jahres könnten es schon 40 % sein. Dies führe zu deutlicher Kostenersparnis in der Verarbeitung und Produktion."

Diese Aussagen des Verlags-Chefs waren auch in der HAZ auf der Wirtschaftsseite vom Freitag nachzulesen (und auf diesen Text hätten wir gern verlinkt, doch das ist seit der Einführung von e-paper ja leider nicht mehr möglich). Und dieses offene Bekenntnis zum Sparen wurde dann von dem moderierenden Redakteur des HAZ-Online-Forums, in dem seit Tagen über e-paper kontrovers diskutiert wird, ungewöhnlich ironisch kommentiert:

Lust auf Interna? Da texten Marketingleute, Werber und auch Computer-Redakteure wochenlang honigsüß, um bloß 'weniger', 'schließen', 'nicht', 'kein' zu vermeiden. Und die Kollegen der Wirtschaftsredaktion rocken dann einfach mal so eben im vorletzten Absatz eines 100-Zeilers das ganze bequeme Blabla von der Couch.

Aber auch bei dotcomtod ging man auf die Madsack-Entscheidung für e-paper inzwischen ein:

1. Wer eine Zeitung jeden morgen im Briefkasten liegen hat, der braucht das ganze nicht noch einmal im Internet nachlesen.
2. Wer sich seine Nachrichten aus dem Internet holt, braucht das nicht noch einmal am nächsten morgen auf Papier.
3. Wer glaubt, irgendjemand würde für Käseblätter im Internet nur einen einzigen Kujambel springen lassen, sollte DCT lesen, bis er es gefressen hat.

Dass Verlage mit journalistischen Inhalten in naher Zukunft im Internet kein Geld verdienen können, das zeigte übrigens auch die Diskussion auf dem diesjährigen Kongress "hamburg dialog". So genannter "Paid-Content", hieß es dort, würde sich vorerst nicht durchsetzen, weil im Netz jeder dahingehe, wo es gratis sei. Und der eigentliche Zweck eines Online-Auftritts sei die Kundenbindung. (siehe: Gute Stimmung im Tal der Tränen).

Neue Tageszeitungs-Kunden werden Verlage wie Madsack also durch ein auf ein Minimum reduziertes kostenloses Online-Angebot wohl kaum gewinnen können. Aber immerhin sparen sie mit e-paper kurzfristig Geld. Und das macht durchaus Sinn in einer Zeit, wo Geiz angeblich geil sein soll. Aber ob Geiz auch Leser auf ein Abo geil macht, das ist doch mehr als fraglich.