300.000 Menschen haben für die Einheit Spaniens demonstriert

(Bild: Gegner der Unabhängigkeit bei einer Demonstration zuvor (Samstag) in Barcelona. Foto: Ralf Streck)

Die Demonstration gegen die katalanische Unabhängigkeit und die Gewalt der Neonazis in Barcelona dürfte das Ende der Ruhe vor dem Sturm markieren

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In Barcelona sind am Sonntag nach Angaben der Polizei etwa 300.000 Menschen auf die Straße gegangen, um nach der Erklärung der Unabhängigkeit durch das katalanische Parlament am Freitag nun ihrerseits für Einheit Spaniens zu demonstrieren. Die Veranstalter sprechen völlig übertrieben sogar von 1,3 Millionen Teilnehmern. Tatsächlich waren es sogar noch weniger Teilnehmer als bei der Großdemonstration am 8. Oktober.

Um die Größe zu zeigen, die die Demonstration an diesem Tag nicht hatte, wurden Luftaufnahmen veröffentlicht, die tatsächlich den Marsch der Unabhängigkeitsbewegung zeigten.

Die Redner, wie der ehemalige sozialistische Bauminister Josep Borrell, forderten von der Justiz "schnell ihre Arbeit zu tun“. Damit fordert er unter anderem die Inhaftierung von Politikern. Gemeint waren unter anderem der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont und diverse Kabinettsmitglieder sowie Mitglieder des Parlamentspräsidiums.

Die spanische Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte über den Paragraph 155 am Freitag die katalanische Regierung für abgesetzt erklärt.. Rajoy hat offiziell aus Madrid das katalanische Parlament aufgelöst. Aus der Hauptstadt will er nun in Katalonien durchregieren und Neuwahlen am 21. Dezember abhalten.

Wurden schon zwei Präsidenten von zivilgesellschaftlichen Organisationen wegen "Aufruhr" inhaftiert, wirft das Ministerium für Staatsanwaltschaft Puigdemonts Regierungsmitgliedern nun sogar "Rebellion" vor. Darauf stehen Haftstrafen von bis zu 30 Jahren.

Der belgische Staatssekretär für Minister für Migration Theo Francken hat Puigdemont und anderen Katalanen am Sonntag schon politisches Asyl angeboten, da er eher nicht davon ausgeht, dass sie in Spanien einen fairen Prozess erwarten können. "Katalanen, die sich politisch bedroht fühlen, können in Belgien Asyl beantragen. Das gilt auch für Minister Puigdemont", erklärte Francken.

Belgien ist nach wie vor eines der wenigen europäischen Länder, in denen auch für Europäer das Asylrecht geschützt ist, anders als zum Beispiel in der Schweiz. Die wollte ein Folteropfer an Spanien ausliefern, scheiterte aber peinlich. Belgien weigert sich zum Beispiel seit Jahren, einen Basken nach Spanien auszuliefern, da denen dort immer noch Folter droht.

War schon der Vorwurf des Aufruhrs absurd, ist es noch absurder, den Katalanen Rebellion vorzuwerfen. Beides sind Begriffe, die im Zusammenhang gewaltsamer und militärischer Erhebungen benutzt werden. Darauf weisen auch Juristen in Spanien hin. Das entsprechende Gesetz dafür sieht ausdrücklich eine "öffentlicheund gewaltsame Erhebung" vor. Die Mobilisierungen der Katalanen, mit bis zu zwei Millionen Menschen, zeichneten sich stets durch Friedfertigkeit aus.

Ganz anders das Vorgehen der spanischen Sicherheitskräfte am 1. Oktober, als Teilnehmer am Referendum, die mit ihren Körpern die Wahllokale geschützt haben, sogar mit verbotenen Gummigeschossen beschossen wurden. Anders ist auch das Vorgehen von spanischen Neonazis und Falangisten, die erneut am Sonntag auch mit der "Katalanischen Zivilgesellschaft" (SCC), die wieder zu der Demonstration aufgerufen hatte, mitmarschieren durften.

Die Faschisten haben schon am Freitag eine Niederlassung des öffentlich-rechtlichen katalanischen Rundfunks und eine katalanisch Sprachschule angegriffen, Scheiben eingeschlagen und mehrere Menschen verletzt. Und wie allseits erwartet, kam es auch am Sonntag wieder zu neofaschistischer Gewalt der Unionisten, wie Bilder und Videos zeigen.

Auf dem Platz Sant Jaume vor dem Regierungssitz wurden zum Beispiel Passanten und auch Regionalpolizisten angegriffen. Auch ein Supermarkt soll geplündert worden sein. Ein Taxifahrer wurde verletzt, als die Frontscheibe seines Wagens eingeworfen wurde. Einen genaueren Überblick über die Angriffe von Neonazis, die wieder massiv den Hitlergruß gezeigt haben, wie auch am 12. Oktober, wird man vermutlich erst morgen haben.

Die Unabhängigkeitsbewegung hatte allerdings erneut dazu aufgerufen, sich nicht provozieren zu lassen. In einer Regierungserklärung hatte Puigdemont am Samstag erklärt, dass man nun "Geduld, Ausdauer und Perspektive" benötige. Gegen die Zwangsmaßnahmen über § 155 sowie gegen Repression und Drohungen habe man stets friedfertig geantwortet.

"Wir haben nicht die Macht der Gewalt und wollen sie auch nicht", rief er alle dazu auf, an der absoluten Friedfertigkeit festzuhalten. Er appelierte an eine "demokratische Opposition". "Wir wissen, dass es hart werden wird", sagte er in einer Regierungserklärung, aber man habe sich seit Wochen auf diese Situation vorbereitet.

Sein ebenfalls offiziell abgesetzter Stellvertreter und Wirtschaftsminister stellte die Bevölkerung im Kampf um die Durchsetzung der Republik ebenfalls auf eine "langen und steilen Weg" ein und forderte eine gemeinsame Strategie in der auch Kreise über die Unabhängigkeitsbewegung hinaus einbezogen werden müssten.

"In den nächsten Tagen werden wir Entscheidungen treffen müssen, die nicht immer leicht zu verstehen sein werden", schrieb er in einem Beitrag für die Zeitung El Punt Avui. Er machte klar, dass Spanien alles tun werde, um den Prozess zum Scheitern zu bringen.