Ausgeabgehört?

Die Linke will G10-Gesetz aufheben lassen

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Zwei Jahre nach Beginn der Snowden-Affäre beantragt die Linke , das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G 10) aufzuheben. Mit dem G10-Gesetz war 1968 die geheim gehaltene Praxis von Eingriffen in das Grundrecht aus Artikel 10 des Grundgesetzes legalisiert worden. Zuvor hatten die Geheimdienste der westlichen Siegermächte umfangreich abgehört und hierbei intensiv mit den westdeutschen Stellen kooperiert. Ausmaß und Struktur der historischen Massenüberwachung wurden erst vor wenigen Jahren erstmals dokumentiert. Mit dem Abhören hatten die Siegermächte deutsches Personal befasst, das fortan deutschen Stellen unterstand. Abhörbefugnisse behielten sich die Militärs jedoch weiterhin durch Geheimvereinbarungen vor.

Der historische Gesetzgeber ging zwangsläufig von den damals besonders gespannten politischen Verhältnissen und dem technischen Stand der 1960er Jahre aus. Nach damaliger Auffassung des Bundestags reichten die Regelungen des Strafverfahrensrechtes für einen wirksamen Schutz des Staatswesens vor Angriffen gegen seinen Bestand, seine Sicherheit oder seine freiheitliche demo kratische Grundordnung nicht aus. Diese sahen nur für die Strafverfolgungsbehörden, nicht aber für die westdeutschen Nachrichtendienste Abhörbefugnisse vor.

Die Linke hält diese Enschätzung schon wegen dem zwischenzeitlich erlassenen BKA-Gesetz und den eingefügten Abhörbefugnisse für schwere Straftaten in § 100a StPO für überholt. Die in den §§ 3, 5 und 8 G 10 benannten Gefahren seien als Straftaten über den § 100a StPO durch Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden bekämpfbar. § 100a StPO selbst bedürfe einer umfassenden Novellierung, um unverhältnismäßige Eingriffe in die Telekommunikationsfreiheit zu unterbinden.

Die niedrigschwelligen Abhörvoraussetzungen für die Intensität solcher Maßnahmen seien nicht hinnehmbar. Das G10-Gsetz sei mithin für die Bekämpfung der in ihm genannten Gefahren weder geeignet noch erforderlich oder gar angemessen und daher als Grundlage für Grundrechtseingriffe verfassungswidrig. Zudem sei eine wirksame Kontrolle der Abhörpraxis nicht möglich. Zudem bestreitet die Linke mögliche Schutzlücken, die ohnehin Sache der Gefahrenabwehrbehörden seien.

Die Linke erhofft sich Einsparungen im Bundeshaushalt sowie in den Haushalten der Länder im Bereich der Nachrichtendienste da Ausgaben für die technische Vorhaltung für Beschränkungsmaßnahmen des Artikels 10 Grundgesetz entfallen. Entsprechende Fachkräfte sollten umgeschult werden.

Nachdem durch den NSA-Untersuchungsausschuss bekannt geworden war, dass der BND hinter dem Rücken der G10-Kmmission in gigantischem Ausmaß anlasslos Telekommunikationsdaten an die NSA ausleitete und den Weltraum über Deutschland inklusive Satelliten als grundrechtsfreie Zone bewertet, wird man zumindest um eine Evaluation des Gesetzes ohnehin nicht herumkommen.