Ausgepfiffen heißt in Frankreich jetzt Abgepfiffen

Pfiffe gegen die Marseillaise werden zur Staatsaffäre

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Gellende Pfiffe übertönten beim gestrigen Fußballspiel Frankreich-Tunesien im Pariser Stadion Stade de France die Nationalhymne, la fameuse Marseillaise nicht zum ersten Mal bei Begegnungen der französischen Nationalelf mit Teams aus Nordafrika. Aber diesmal steigert sich die Erregung über die maghrebinischen Pfeifgeräusche zur Staatsaffäre.

Der Premierminister François Fillon verkündete heute morgen, dass die Pfiffe beleidigend für Frankreich waren und dies nicht toleriert werden könne. Man müsse künftig Lösungen finden, appellierte Fillon an die Organisatoren und schlug vor, dass man "Spiele künftig unterbrechen müsste, wenn Nationalhymnen, egal welche, ausgepfiffen werden". Dies zeuge von einem Mangel an Achtung und Respekt vor einer Nation. Ganz offensichtlich zeigt diese Äußerung auch, dass Fillon jedesmal nach dem ersten Abspielen der Nationalhymne das Fußballstadion verlässt, sonst wüsste er, dass die Hymne nicht noch einmal gegeben wird, während das Spiel läuft.

Fillon bedauerte, dass der französische Fußballbund die Partie nicht annulliert hat.

Staatssekretär "aux Sports" Bernard Laporte, ein früherer Rugbyspieler und -trainer forderte noch härtere Maßnahmen: Man solle nicht heucheln und solche Spiele überhaupt nicht mehr veranstalten. Schluss damit, "den anderen den Stock hinzuhalten, um sich damit schlagen zu lassen." Beim Interview mit einem Radiosender schlug Laporte vor: "Keine Spiele mehr gegen Algerien, gegen Marokko und gegen Tunesien im Stade de France".

Übetroffen wurde dieser Vorschlag dann laut Libération vom Fraktionsvorsitzenden der Regierungspartei UMP, Jean-François Copé, der ebenso verlangte, dass künftig alle Spiele bei solchen Pfiffen abgebrochen würden und alle Pfeiffer vom Stadion ausgeschlossen würden. Gestern, so rechnet ihm die Zeitung vor, wären das ungefähr 40.000 gewesen, die man rauswerfen hätte müssen.

Mittags bestellte Sarkozy dann Jean-Pierre Escalettes, den Chef des französischen Fußballverbands, zusammen mit Sportministerin Roselyne Bachelot in den Präsidentenpalast. Laut Ministerin wurde beschlossen, "dass Regierungsmitglieder sofort das Sport-Gelände verlassen werden, wenn die Nationalhymne ausgepfiffen wird." Sollte ein Freundschafts-Match unter solchen Umständen stattfinden, dann soll das Spiel ausgesetzt werden – bis zu einem Zeitpunkt, der nach Verabredung neu festgelegt werde. Der Präsident des Fußballverbandes solle dafür sorgen, dass Maßnahmen zur Aufklärung und Sporterziehung intensiviert würden.

"Ich kann ihnen versichern, dass die Spieler traumatisiert waren", erklärte Fußballverbandspräsident Escalettes vor der Presse.