BDI wird Zeitpunkt des Atomausstiegs akzeptieren

Am alten Grundlastkonzept will der Industrieverband aber festhalten

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Der Atomausstieg wird kommen müssen, daran besteht kein Zweifel mehr. Wenn Fukushima selbst aus Sicht der Regierunsparteien im Bund noch kein hinreichender Grund für eine beschleunigte Energiewende war, so doch der politische Tsunami, der im Anschluss durch die Bundesrepublik zog und eine Schneise der Verwüstung im bürgerlichen Lager zurückließ: Spätestens wenn ein Grüner im CDU-Stammland Ministerpräsident wird und die Union wie in Bremen nur noch drittstärkste Kraft ist, haben auch die letzten begriffen, dass die alten Lösungen nicht mehr für die Zukunft taugen.

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie ( BDI) hat sich damit abgefunden, dass das Ende der Atomenergie in Deutschland gekommen ist. Noch bevor das Datum bekannt ist, bis zu dem das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet werden soll, erklärt der Verband, den Atomausstieg zu akzeptieren. Der frühestmögliche Ausstieg aus der Kernenergie sei nationaler Konsens und daher auch für die Industrie maßgeblich, so Christopher Grünewald, der Vorsitzende des BDI-Ausschusses für Energie- und Klimapolitik. Allerdings stecke der Teufel im Detail, viele Fragen seien noch offen. So beispielsweise, wer welche Mehrkosten zu tragen habe, ob die Bereitschaft bestehe, im Gegenzug für den Ausstieg von Klimaschutzzielen abzurücken, ob Atomstromimporte nach Deutschland akzeptabel seien und schließlich was geschehe, wenn es Verzögerungen im Netzausbau gebe.

Einen kompletten Umstieg auf Erneuerbare Energien sieht Grünewald nicht. Um die Grundlast darzustellen, würden auch zukünftig Kohle- und Gaskraftwerke gebraucht. Ein Atomausstieg um 2022 herum hält Grünewald für machbar, allerdings dürften nicht gleichzeitig weitere ehrgeizige Klimaschutzziele gesetzt werden. Zugleich setzt er sich dafür ein, Nachjustierungen in der Energiewende zu ermöglichen. Damit sind ausdrücklich nicht längere Laufzeiten für die Kernkraftwerke gemeint, sondern beispielsweise der Bau von zusätzlichen Kohlekraftwerken, sollten diese benötigt werden, um die Kernkraftwerke zu ersetzen. Von Stromimporten hält Grünewald wenig, von dezentralen Kraftwerken ebenso. Großkraftwerke seien effektiver und umweltfreundlicher, erklärt er.

Ebenso wenig möchte er mit einem sinkenden Strombedarf kalkulieren, wie dies derzeit sowohl die Regierung als auch Umweltschutzverbände tun. Der BDI rechnet mit einem zusätzlichen jährlichen Strombedarf in Höhe von einem Prozent. Deshalb werde auch künftig ein robustes Stromversorgungssystem mit Reserven benötigt. Doch genau da sieht der BDI ein Problem.

Um die Netzstabilität aufrecht zu erhalten, hätten die Netzbetreiber seit dem Moratorium immer stärker in das Netz eingreifen müssen. So habe es im Jahr 2003 an zwei Tagen insgesamt zwei Eingriffe gegeben, aber allein vom 18. März bis zum 1. Mai diesen Jahres an 42 Tagen insgesamt 523 Eingriffe. Die meisten Kunden würden das nicht merken, in der Industrie mache das aber Probleme. Grünewald, der selbst Geschäftsführer einer Papierfabrik ist, erklärte, dass diese kleinen Netzschwankungen bereits für stundenlange Produktionsausfälle gesorgt hätten, was dem Industrieland Deutschland schade. Es sei nicht damit getan, ein Notstromaggregat in die Ecke zu stellen. Dies sei Energieverschwendung, so der Unternehmer.

Um die Kosten für die Industrie im Rahmen zu halten, fordert der BDI, die EEG-Umlage auf zwei Cent pro Kilowattstunde zu beschränken. Derzeit liegt sie bei 3,53 Cent.

Zudem fordert der BDI die Politiker auf, die Energiewende mit sorgfältig erarbeiteten Gesetzen einzuleiten. Die Fristen, die dem Verband bleiben, um Stellungnahmen zu aktuellen Vorhaben zu erarbeiten, seien zu kurz. Innerhalb von weniger als zweieinhalb Tagen sollte beispielsweise eine 180 Seiten starke EEG-Änderung durch die Verbände kommentiert werden - zu wenig. Um handwerkliche Fehler in den Gesetzen zu vermeiden, sollte die Regierung stärker mit der betroffenen Industrie zusammenarbeiten.

Zeitmangel beklagen aber nicht nur die Lobbyisten, auch der Opposition gefällt der enge Zeitplan der Regierung nicht, macht er doch eine kritische Auseinandersetzung mit der neuen Energiepolitik der Bundesregierung noch vor der Beschlussfassung nahezu unmöglich.