BRICS-Staaten diskutieren über Libyen

Während die NATO-Staaten ihr Eingreifen in Libyen mal wieder als Akt der Weltgemeinschaft deklarieren, treffen sich in China einige schwergewichtige Kritiker

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Am Donnerstag treffen sich in Sanya auf der südchinesischen Insel Hainan Hu Jintao, Dilma Rousseff, Dmitri Medwedew, Manmohan Singh und Jacob Zuma, die Staats- bzw. Regierungschefs von China, Brasilien, Russland, Indien und Südafrika, um aus dem lockeren Staatenbündnis BRIC mit der Aufnahme von Südafrika BRICS zu machen. Bei verschiedenen Anlässen, wie Konferenzen der Welthandelsorganisation oder Verhandlungen über einen neuen Klimaschutzvertrag, haben die fünf Staaten oder einige von ihnen in den vergangenen Jahren - sehr zum Leidwesen - des Westens ihre Positionen erfolgreich koordiniert.

Ihre Haltungen gegenüber der kriegerischen Parteinahme der NATO-Staaten im libyschen Bürgerkrieg ähneln sich zum Beispiel ebenfalls und reichen von erheblicher Skepsis bis zur offenen Kritik. Entsprechend wird die Situation in Libyen und die Folgen der arabischen Aufstände auf der Tagesordnung in Shanya stehen. Besonders Indien und China sind im erheblichen Umfang von den Ölexporten aus den arabischen Ländern und dem benachbarten Iran abhängig.

Mit 40 Prozent der Weltbevölkerung und immerhin bereits 15 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung könnte aus der lockeren Allianz mittelfristig ein neues Zentrum der Weltwirtschaft und der globalen Politik werden. Voraussetzung wäre dafür natürlich, dass die Interessen der fünf weiter konvergieren. Besonders das Verhältnis zwischen Indien und China ist allerdings durch einen noch nicht verwundenen Krieg, alte Grenzstreitigkeiten und eine unterschwellige regionale Rivalität belastet.

Daher will sich Indiens Ministerpräsident Manmohan Singh, wie die indische Zeitung The Hindu schreibt, bei seinen Gesprächen mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao ganz auf Energie- und Wirtschaftsfragen konzentrieren. Das sind nämlich die einfacheren Themen, weil beide Seiten stark vom expandierenden bilateralen Handel profitieren, auch wenn es mitunter zu Reibungen kommt.

Überhaupt haben die Handelsbeziehungen zwischen den BRICS-Staaten mittlerweile einen beachtlichen Umfang. Während noch zu Beginn des Jahrtausends die globalen Handelsströme fast alle nach Europa, Japan oder in die USA flossen oder dort ihren Ausgang hatten, tauschten die fünf Länder 2010 nach Angaben der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua Waren im Wert von 230 Milliarden US-Dollar miteinander aus.

Allerdings sind die Verhältnisse alles andere als ausgewogen. Während China für Südafrika und Brasilien inzwischen der größte Handelspartner ist und für Indien und Russland zu den wichtigsten gehört, sehen die Relationen für die Volksrepublik etwas anders aus. Die 180 Milliarden US-Dollar, die Im- und Exporte aus den anderen vier BRICS-Staaten 2010 umfassten, machten nur rund sechs Prozent seines Warenaustausches mit dem Ausland aus. Allerdings sind sie gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent gewachsen, wie auch sonst die Volksrepublik im Gefolge der atlantischen Finanz- und Wirtschaftskrise ihre Handelsbeziehungen mit anderen Entwicklungs- und Schwellenländern stark ausgebaut hat.