Bahn verweigert Costa-Concordia-Opfern die Heimfahrt

Ticket- und Geldverlust durch Schiffsunglück nicht als Begründung akzeptiert

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Im letzten Jahr erregte ein Prozess Aufmerksamkeit, bei dem es darum ging, dass die Deutsche Bahn AG einem Schaffner ein Bußgeld auferlegte, weil der einem hilfesuchenden Fahrgast in einem Zug ohne Toilette geraten hatte, im äußersten Notfall in den Abfallbehälter in der Ersten Klasse zu urinieren. Obwohl der noch zu Bundesbahnzeiten eingestellte Mitarbeiter seinem Arbeitgeber vielleicht einen Nothalt oder eine ruinierte Sitzgarnitur ersparte, bestrafte ihn das Unternehmen nicht nur mit einer Versetzung in den Wachdienst, sondern wollte auch noch Geld von ihm. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied jedoch, dass sich der Beamte mit der von ihm geleisteten Nothilfe keines Dienstvergehens schuldig gemacht hatte.

Seitdem hört und liest man zunehmend vom Druck, den das Management der Aktiengesellschaft auf die Mitarbeiter ausübt – und von den negativen Folgen solch eines Klimas der Angst, das angeblich maßgeblich mit dafür verantwortlich ist, dass im Winter Minderjährige ohne Geld aus Zügen geworfen werden.

Minderjährig waren Erwin B. und seine Frau Marianne aus dem im Westerwald gelegenen Langenhahn zwar nicht, aber genug Geld für zwei weitere Fahrkarten hatten sie auch nicht dabei, als sie letzte Woche in Frankfurt einen Zug nach Hause besteigen wollten. Das lag daran, dass sie fast ihr ganzes Reisegepäck auf dem Kreuzfahrtschiff Costa Concordia lassen mussten, das am 13. Januar teilweise unterging. Obwohl der Siebzigjährige in Hausschuhen und seine vier Jahre jüngere Frau in Abendgarderobe den Mitarbeitern versicherten, dass ihre Zugfahrkarten nach Hause bereits gebucht aber im Kabinensafe verblieben seien, ließ sich das Bahnpersonal nicht dazu bewegen, die Schiffbrüchigen an Bord des ICE zu lassen und drohte stattdessen mit einer Geldstrafe im Falle eines Zuwiderhandelns.

Schließlich konnte das Ehepaar seinen Sohn erreichen, der es mit dem Auto abholte. Marianne B., die gegenüber der Rhein-Zeitung unter anderem die Behandlung "von oben herab" bemängelt, will den Schienenverkehr deshalb zukünftig nicht mehr nutzen. Die Deutsche Bahn AG ließ eine Anfrage mit der Bitte um eine Stellungnahme zu dem Fall bislang unbeantwortet.

Update:

Nach Erscheinen der Meldung hat sich die Deutsche Bahn nun doch gemeldet: In der Stellungnahme heißt es, man bedauere, "dass das von der Kreuzfahrt-Katastrophe betroffene Ehepaar weiteren Unannehmlichkeiten auf der Heimreise erlebt hat". Generell gelte in solchen Fällen jedoch, "dass der Reiseveranstalter sicherstellen muss, dass seine Kunden auch in Notfällen wieder sicher nach Hause gebracht werden". Außerdem böten "Hilfsorganisationen und behördlichen Einrichtungen im In- und Ausland [...] Unterstützung an, während "dem DB-Bordpersonal [...] für solche Ausnahmefälle kein geeignetes Hilfsinstrumentarium zur Verfügung" stünde. Trotzdem wolle man nun prüfen, inwieweit man für die beiden Opfer "nachträglich etwas tun" könne.