Bei Pfeifkonzert auf Nationalhymne soll Abpfiff des Pokalfinales folgen

Die Präsidentin der Regionalregierung im spanischen Madrid will verhindern, dass die Nationalhymne oder der König von den baskischen und katalanischen Fans "beleidigt" wird

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Für reichlich Wirbel sorgt in Spanien das Pokalfinale am Freitag in der Hauptstadt Madrid zwischen dem FC Barcelona und Athletic Bilbao. Da erwartet wird, dass die Anhänger des katalanischen und baskischen Clubs gemeinsam ein Pfeifkonzert anstimmen, wenn die spanische Nationalhymne erklingt, will die konservative Präsidentin der Region Madrid das Spiel abpfeifen lassen.

Esperanza Aguirre meint, es handele sich "Beleidigung der Nationalhymne", die wie eine Beleidigung der Nationalflagge strafrechtlich verfolgt werden könne. Für die rechte Nationalistin ist es "nicht hinnehmbar", dass die Hymne oder der König oder ausgepfiffen werden. Das Königshaus ist wegen der Eskapaden ohnehin schwer angeschlagen. Doch zum "Artenschutz" der Monarchie fordert sie in diesen Fällen, das Spiel zu verlegen und vor leeren Rängen erneut auszutragen. "Sie werden sehen, wie solche Pfeifkonzerte in Zukunft dann nicht mehr vorkommen", fügte sie an.

Dabei müsste auch der Regionalfürstin der in Spanien regierenden Volkspartei (PP) bekannt sein, dass Meinungsäußerungen in einer Demokratie erlaubt sind. So sah es auch 2009 Santiago Pedraz. Der Richter am Nationalen Gerichtshof lehnte eine Klage der rechtsradikalen "Stiftung zur Verteidigung der spanischen Nation" (Denaes) ab, nachdem die Anhänger von Barcelona und Bilbao im Endspiel zum "Königspokal" 2009 in Valencia gemeinsam ein Pfeifkonzert angestimmt hatten. Pedraz konnte auch keine "Förderung von Hass" darin erkennen, dass Fans der immer stärker nach Unabhängigkeit strebenden Katalanen Transparente aufhängten, auf denen "Good Bye Spain" zu lesen war. Peinlich war damals, dass im öffentlich rechtlichen Fernsehen das Pfeifkonzert zensiert wurde, doch dafür wurde Julián Reyes, Sportdirektor von TVE, danach abgesetzt.

Sogar in ihrer rechten PP stieß die Regionalfürstin mit dem Vornamen "Hoffnung" auf viel Kopfschütteln. Vize-Ministerpräsidentin Soraya Sanz de Santamaría rief die Parteikollegin zur Mäßigung auf. Der Sport sei zum Vergnügen da und sollte nicht mit anderen Sachen vermischt werden. Innenminister Jorge Fernández Díaz machte Aguirre keine Hoffnung, dass das Spiel abgebrochen wird. Er rief alle auf, "die Gemüter zu beruhigen".

Faschisten wollen für die "Einheit Spanien" demonstrieren

Oppositionspolitiker werfen Aguirre einen "Anschlag auf die Meinungsfreiheit" vor. Sie wolle mit ihrem Vorstoß davon ablenken, dass dass das Haushaltsdefizit ihrer Region 2011 real fast doppelt so hoch als bisher gemeldet ausfiel, wie gerade bekannt wurde. Spanien musste deshalb das hohe Staatsdefizit von 8,5 Prozent erneut auf 8,9 Prozent korrigieren. Das Krisenland liegt nun nur noch knapp hinter dem abstürzenden Griechenland.

Der Innenminister will besänftigen, denn ohnehin ist der Unmut bei Basken und Katalanen nun weiter gewachsen. Dazu trägt auch bei, dass Real Madrid sein Stadion nicht zur Verfügung stellte, weshalb etwa 20.000 weniger Anhänger das Spiel vor Ort verfolgen können. Der Minister fürchtet eine Gewaltnacht, aber nicht weil sich baskische und katalanische Fans am Freitag bekriegen könnten. Die feiern stets gemeinsam ein Fußball-Fest wie in Valencia vor drei Jahren, egal wer das Spiel gewinnt. Denn gegen die "Separatisten" hat die ultrarechte und gewalttätige Falange einen "Marsch für die Einheit Spaniens" angekündigt. Weil Hass auf Basken und Katalanen im Aufruf zum Ausdruck kommt, hatte die Regierung den Aufmarsch der Faschisten am Freitag verboten und auf Montag verlegt. Doch der Oberste Gerichtshof hat es ihnen nun doch erlaubt, im Zentrum der Hauptstadt zu demonstrieren, während sich dort die Fans aufhalten.

Angespornt durch die Äußerungen von Aguirre könnten verstärkt gewalttätige Hooligans von Real Madrid und Atlético Madrid an der Demonstration teilnehmen. Befürchtet wird, dass sie im Anschluss Jagd auf baskische und katalanische Fans in der Umgebung des Stadions Vicente Calderón machen. Hier wurde 1998 bei einem Pokalspiel der Baske Aitor Zabaleta von einem fanatischen Skinhead und Fan von Atlético Madrid erstochen. 1992 erstach ein anderer Atlético-Fan den Anhänger des FC Barcelona Emiliano López, als der in einer Kneipe ein Tor seiner Mannschaft feierte.