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Nach der Rücktrittswelle in Hamburg bestätigte der designierte Bürgermeister nun "Gastmitgliedschaft" in einer schlagenden Verbindung

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Politikverdrossenheit ist weit verbreitet in diesem Land. Nun hat dieser Missmut offenbar auch den Hamburger Senat erfasst: Am 18. Juli 2010 kündigte der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Ole von Beust (CDU), seinen Rücktritt an, am gleichen Tag trat die parteilose Kultursenatorin Karin von Welck ebenfalls zurück, jetzt folgten Wirtschaftssenator Axel Gedaschko und der Chef der Senatskanzlei, Volkmar Schön (beide CDU), diesem Beispiel.

Am 25. August 2010 sollte der jetzige Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) bei der ersten Parlamentssitzung nach der Sommerpause zum Ersten Bürgermeister gewählt werden. Doch dessen Wahl ist nun ungewiss, denn es gibt einen kleinen Schönheitsfehler in seiner politischen Biographie: Das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR) fand heraus, dass Ahlhaus in Verbindung zu der Heidelberger Burschenschaft "Turnerschaft Ghibellinia" steht. Der designierte Bürgermeister bestätigte inzwischen, dort als "Gastmitglied" geführt zu werden. Das gehört in Hamburg "nicht zum guten Ton", wie SPD-Fraktionschef Michael Naumann sagte. Die Grün-Alternative-Liste (GAL) wird auf dem Parteitag am 22. August 2010 entscheiden, ob die Koalition mit der CDU mit Ahlhaus an der Spitze fortgeführt wird. Dessen Wahl zum Bürgermeister der "weltoffenen und liberalen Hansestadt" ist damit ernsthaft gefährdet.

Die Ghibellinia Heidelberg ist Mitglied im "Heidelberger Waffenring" und im "Coburger Convent" (CC). Die Verbindungen dieses erzkonservativen Milieus zu neofaschistischen Kreisen sind fließend. So nahmen 2001 am traditionellen Maiensingen in Heidelberg, dem Absingen von Trinkliedern und der Nationalhymne, auch Neonazis teil. Ahlaus, seinerzeit Heidelberger Lokalpolitiker, stellte sich schützend hinter die fragwürdige Verbindung – und deren noch fragwürdigeren Verbindungen.

Durch den Sprecher der Innenbehörde, Thomas Buttler, bestätigte Ahlhaus unterdessen, so genannter Conkneipant, eine Art assoziiertes Mitglied, bei Ghibellinia zu sein. Allerdings gebe es seit Jahren keine Kontakte mehr, und der designierte Bürgermeister habe den Vorsitzenden jetzt gebeten, ihn aus der Liste zu streichen. Ahlhaus falsche Verbindung ist der vorläufige Höhepunkt der Hamburger Regierungskrise, die eventuell zu vorzeitigen Neuwahlen führen wird. Auch Heino Vahldieck (CDU), Leiter des Verfassungsschutzes in Hamburg, der künftiger Innensenator werden könnte, werden Kontakte mit schlagenden Verbindungen nachgesagt, beispielsweise zum "Corps Irminsul", das Mitglied im "Hamburger Waffenring", dem Zusammenschluss der schlagenden Verbindungen, ist.

Alles habe "seine Zeit", begründete von Beust seinen Rücktritt, ihm reichten 32 Jahre als Bürgerschaftsabgeordneter, davon 17 Jahre in politischen Spitzenpositionen und sechs Jahre als Erster Bürgermeister. Die parteilose Kultursenatorin Karin von Welck trat aus Solidarität mit von Beust zurück, wie sie sagte. Wobei allerdings offen blieb, wieso sie sich mit dem amtsmüden Bürgermeister solidarisieren zu müssen glaubte.

Nun folgte Wirtschaftssenator Axel Gedaschko, der in die Privatwirtschaft gehen wird, und bereits am 17. März 2010 war Michael Freytag (CDU) als Finanzsenator zurückgetreten. Der ehemalige Staatsrat Carsten Frigge (CDU) übernahm dieses Amt.

Am 25. August wird die Hamburgische Bürgerschaft zu ihrer ersten Sitzung nach der Sommerpause zusammentreten. Das Parlament soll dann den Ersten Bürgermeister neu wählen. Für die Abstimmung sind mindestens 61 Stimmen der 121 Abgeordneten notwendig. Die schwarz-grüne Koalition verfügt über 68 Sitze im Parlament. Anschließend beruft der neue Regierungschef die Senatorinnen und Senatoren, die von der Bürgerschaft bestätigt werden müssen. Bekommt der Kandidat für das Amt des Ersten Bürgermeisters keine Mehrheit, kann die Bürgerschaft das vorzeitige Ende der Wahlperiode beschließen und damit Neuwahlen einleiten. In diesem Fall bliebe der Senat geschäftsführend im Amt. Das wäre das unrühmliche Ende der ersten schwarz-grünen Regierungskoalition auf Landesebene.