Dr. Who oder: auf Eventualitäten vorbereiten

Außer Kontrolle

"Regeneration" heißt bei Dr. Who, dass er nur vorübergehend "stirbt" und außerdem einen neuen Körper annimmt. Nicht der einzige clevere Schachzug der Serie

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Doctor ist tot, es lebe der Doctor

Je stärker eine Serie auf eine Person fokussiert, desto stärker ist ihre Abhängigkeit vom Hauptdarsteller. Während bei Ensembleserien die einzelnen Mitglieder des Ensembles ausgetauscht werden können, ist dies bei ein oder zwei Hauptpersonen, insbesondere wenn diese sehr beliebt sind, eher schwerlich möglich. Dies bereitet den Produzenten nicht nur dann Schwierigkeiten, wenn ein Hauptdarsteller stirbt, sondern ebnet diesem auch den Weg für das Pokern um ein höheres Gehalt. Das Konzept hinter Dr. Who ermöglichte es, zwar nur eine Hauptrolle zu haben, diese jedoch auch austauschen zu können – die erdachte Lösung hieß "Regeneration".

Wurde es Zeit für einen neuen Hauptdarsteller, so regenerierte sich der Doctor und tauchte in der neuen Staffel im neuen Körper wieder auf. Dieser Trick, auch wenn er erst später als "Regeneration" bezeichnet werden sollte, hatte einen Hintergrund, der mit dem ersten Darsteller des Doctors zu tun hatte. William Henry Hartnell, der mit 55 Jahren die Rolle des Dr. Who übernahm, litt an Arteriosklerose und schaffte es immer öfter gegen Ende der ersten Staffel nicht mehr, seinen Text zu sprechen. Dies und die Tatsache, dass er nach Verity Lamberts Weggang Schwierigkeiten mit dem neuen Produzententeam hatte, führen dazu, dass für dieses Dilemma ein Ausweg gesucht werden musste, welcher eben jene "Regeneration" war.

Bei der Auswahl der Hauptdarsteller zeigte sich, dass - einmal abgesehen von der Tatsache, dass der Doctor männlich ist - das Aussehen und auch das Alter stark variieren durften. Während William Hartnell beispielsweise bereits 55 Jahre alt war, als er als Doctor auftrat, übernahm Matt Smith bereits mit 26 Jahren die Rolle. Das Aussehen des Doctors wurde jeweils stark vom Hauptdarsteller selbst bestimmt, wobei die Wahl oft auch Bestandteil der Serie war, z.B. in "The Eleventh Hour".

Indes Matt Smith anfangs noch als "Lumpenmann" ("raggedy man") auftritt und die zerschlissene Kleidung seines Vorgängers, David Tennant, aufträgt, findet er am Ende der Episode zurückgelassene Kleidung in einem Krankenhaus und schafft sich aus diesen seinen eigenen Look, der von einem etwas oberlehrerhaften Aussehen und der oft von ihm mit "Fliegen sind cool" kommentierten Fliege geprägt ist. Dabei erinnert er an eine etwas gestyltere Version des zweiten Doctors, der von Patrick Troughton gespielt wurde.

Auch dies ist kein Zufall – die früheren Outfit-Ideen wurden verworfen. Der geplante schwarze Ledermantel erschien zu sehr an "Matrix" angelehnt, ein anderer Look sah zu sehr nach "Piraten der Karibik" aus. Als Matt Smith Patrick Troughton in "The Tomb of the Cybermen" sah, schlug er vor, dass er diesem ähnlich sehen sollte, ohne das Kostüm komplett zu kopieren. Matt Smiths verspielte Art schlug sich auch in der Idee nieder, in einigen Folgen einen Fez bzw. einen Stetson zu tragen, beide Kopfbedeckungen sollten in diversen Folgen eine wichtige Rolle spielen.

Jeder, der den Doctor spielte, prägte auch ein ganz bestimmtes Aussehen und einer der beliebtesten Dr. Who-Darsteller, Thomas Stewart Baker (Tom Baker) wird noch heute als "der mit dem Schal" bezeichnet. Der fast schon lächerlich lange Schal war allerdings eher ein Zufall, denn ursprünglich war eine kürzere Version geplant, doch Begonia Pope hatte nicht genau angegeben, wie viel Wolle sie benötigen würde. James Acheson, der Kostümdesigner, war insofern mit der Schätzung überfordert, was dazu führte, dass Begonia Pope viel mehr Wolle erhielt, als sie für einen kurzen Schal benötigte. Tom Baker war es, der den fertigen, viel zu langen Schal als Bestandteil des Kostüms behalten wollte und der Schal sollte von da an, gemeinsam mit der Vorliebe des Doctors für "Jelly Babies" (Weingummi in Babyform), seine Version des Doctors ausmachen.

Während die ersten drei "Inkarnationen" des Doctors eher an die typische Vorstellung des etwas verschrobenen Wissenschaftlers erinnerten, schuf Tom Baker eine etwas verspieltere Version. Seine vier Nachfolger sollten dann eher einen dandyhafteren Stil übernehmen, wobei Sylvester Mc Coy durch die exzessive Verwendung des Fragezeichenthemas in Verbindung mit dem Schirm aussieht wie eine Kombination der in "Batman"-Filmen populären Figuren des "Riddlers" (früher: Der Rätselmann) und des "Pinguins". Insbesondere sein Schirm mit dem Griff in Fragezeichenform war es, der diese Version des Doctors prägte.

2005 – neues Spiel, weg von der Exzentrik

Nach Sylvester McCoy und Paul McGann ging eine Ära zuende. Dr. Who wurde wegen sinkender Einschaltquoten eingestellt und es sollte von 1996 bis 2005 dauern, bis der Doctor ins Fernsehen zurückkehrte. Nicht nur das Verhalten des Doctors, auch sein Aussehen sollten insofern die Veränderung, die in der neuen Staffel einen Wendepunkt im Leben des Doctors markierten, widerspiegeln. Christopher Eccleston, der den neunten Doctor spielte, bekam ein starkes Mitspracherecht, was das Aussehen anging und machte starken Gebrauch davon.

Die Ansicht, wonach Wissenschaftler stets wie Professoren bzw. exzentrisch auszusehen haben und distinguiert zu sprechen, wurde seiner Meinung nach zu sehr durch die bisherigen Kostüme wiedergegeben. Er selbst, so Christopher Eccleston, wolle das Exzentrische, das Besondere, eher durch seine Sprache mitteilen denn durch sein Aussehen. Unter allen bisherigen Inkarnationen sticht seine Version daher auch durch seine Schlichtheit hervor – Jeans und eine schwarze Lederjacke unterstrichen seine Haltung, wobei gerade die Lederjacke auch eine Art "Rühr mich nicht an"-Attitude betonen sollte, denn der Doctor zeigte zwar in seiner neunten Inkarnation eine starke Lebensfreude, die jedoch stets auch dazu diente, seine Schuldgefühle in Bezug auf die Vernichtung seiner Rasse, der Timelords, sowie seines Überlebens, zu übertünchen.

Matt Smith und David Tennant, die Christopher Eccleston beerbten, zeigten in ihren Kostümen wieder eine Rückbesinnung zum "Professor"-Stil, was Christopher Ecclestons Darstellung umso hervorstechender macht.

Die TARDIS oder: ein Raumschiff ist zu groß

Wie es sich für einen außerirdischen Timelord gehört, sollte dieser natürlich auch ein Raumschiff bekommen, mit dem er sich in Raum und Zeit fortbewegen kann. Doch die Budgets für Dr. Who ließen es nicht zu, ein riesiges Raumschiff zu kreieren. Auch sollte das Raumschiff sich überall materialisieren können, ohne dass es zu Problemen ob seiner Größe kommen könnte. Die Lösung war ein Raumschiff, das innen größer war als außen, das insofern in einer sehr kleinen Gestalt daherkam. Doch wie sollte das Äußere aussehen?

Statt auf das typische Raumschiffaussehen zu setzen, entschied man sich, dem exzentrischen Doctor, der typisch britisch wirkte, auch ein typisch britisch wirkendes Raumschiff zur Seite zu stellen und die Wahl fiel auf eine britische Polizeinotrufzelle. Diese waren überall in England zu finden und boten durch das im Innern befindliche Telefon, welches von außen her bedient werden konnte, eine direkte Verbindung zum nächsten Polizeirevier. Im Innern bot sich für die Polizisten, welche mittels Spezialschlüssel auch ins Innere der Box gelangen konnten, dort auch ein Schreibtisch, ein Erste Hilfe Kasten und ein Notizbuch, eine Art "Polizeistation en miniature".

Während die TARDIS anfangs noch als mit einem Chamäleonmechanismus ausgestattet eingeführt wurde, der ihr ermöglichen sollte, sich in die Umgebung einzufügen, wurde später banal mitgeteilt, sie habe eine Fehlfunktion, weshalb sie weiterhin als Polizeinotrufzelle auftrat.

Das Interieur der TARDIS (sie ist innen größer als man von außen denkt) wurde genauso wie auch das Aussehen des Doctors immer wieder verändert und angepasst und dadurch, dass sie als "unendlich groß" kreiiert wurde, kann jederzeit ein neuer Raum oder ein neuer Bestandteil quasi aus dem "Nichts" heraus in einer Folge integriert werden. Der Doctor hat hier auch Gestaltungsmöglichkeiten, wenngleich diese auch manchmal zu ein paar Missverständnissen führen, so z.B. als er für seine Begleiter, Rory Williams und Amy Pond, zwar ein gemeines Zimmer zur Verfügung stellt, dieses jedoch mit einem Hochbett ausstattet, weil "Hochbetten cool sind".

Durch das Konzept, sowohl das Raumschiff als auch den Doctor samt Begleiter jederzeit austauschbar zu gestalten, haben die Schöpfer von Dr. Who den Grundstein dafür gelegt, die Serie jederzeit weiterführen zu können und dabei immer wieder Traditionelles mit Modernem zu vereinen.

Teil 3 demnächst: Begleiter und Begleiterscheinungen – von Rose Tyler, Amy Pond und Co.