EU möchte Emissionshandel retten

Klimaziele sollen erhöht werden, um Zertifikatspreise zu stützen

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Paradoxe Intervention: Der allgemeine Emissionshandel existiert noch gar nicht, da soll er schon manipuliert werden. Noch bevor der künstliche Markt für CO2-Zertifikate überhaupt in den Freilandversuch entlassen wird, sich also autonom über die Energiebörsen regulieren soll, sind bereits Stützungsmaßnahmen im Gespräch, um den Wert von Zertifikaten zu erhalten.

2013 sollte es eigentlich richtig losgehen und eine sogenannte "CO2-Handelsperiode" beginnen, in der die Menge an Emissionsrechten jährlich um 1,75 Prozent gesenkt wird. Doch das wird dann wohl kein Unternehmen mehr interessieren. Dabei verfolgt der Emissionshandel einen guten Zweck: Bis zum Jahr 2020 soll in der EU die Freisetzung von Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um 20% sinken. Das Erreichen dieser Vorgabe steht mittlerweile aber außer Frage und damit besteht kein Anreiz mehri CO2-Zertifikate ("Verschmutzungsrechte") zu kaufen.

Denn schon 2010, zur Halbzeit, lagen die Emissionen im Mittel 14 Prozent unter dem Stand von 1990. Der Umbau der osteuropäischen Industrie und die zunehmende Verlagerung der Produktion nach Asien machen die EU-Industrie immer emissionsärmer. Den Rest der Emissionsziele erledigen die Wirtschaftskrise durch den Produktionsrückgang in der EU und das zunehmend wärmere Klima quasi von selbst. Aufgrund des rückläufigen Energieverbrauchs verminderte sich der energiebedingte CO2-Ausstoß in Deutschland so, allein im Jahr 2011, um weitere 3 Prozent.

Weniger Emissionen bedeuten, dass die Industrieunternehmen die ihnen zugeteilten CO2-Zertifikate horten, anstatt selbst neue kaufen zu müssen. Denn die Nachfrage für die Verschmutzungsrechte ist im Keller. Wie schon bei der vorherigen testweisen Emissionshandelsrunde drohen die Zertifikate schließlich vollends wertlos zu werden, wodurch das "Handelssystem" wieder nicht funktioniert,. Dabei war es doch gerade erst um den Flugverkehr erweitert worden.

Es scheint, als habe sich die Politik in der "Markt"-Euphorie der frühen 90er Jahre auf ein Regulierungsmodell eingelassen, das zwar theoretisch bestechend klingt, aber leider nicht funktioniert. Denn von Selbstregulierung ist das vollkommen manipulierte CO2-Handelssystem weit entfernt. Doch noch traut sich niemand die CO2-Zertifikate aufzugeben. Statt dessen will man es noch einmal versuchen - und zwar mit einem Anziehen der Klimaziele. Dadurch würden Emissionszertifikate verknappt und erhielten wieder einen Geldwert - so jedenfalls hoffen die Mitarbeiter der EU-Kommission.

Leider wurden in der Zwischenzeit die "altmodischen" Grenzwerte als wirksames Mittel des Umweltschutzes vernachlässigt. Statt dessen gibt es immer mehr verschleiernde Verrechnungsmöglichkeiten. Jüngstes Beispiel: Die deutsche Automobilindustrie setzte durch, dass bei Fahrzeugen nicht mehr die absoluten CO2-Emissionen relevant sind, sondern diese in Bezug zur Masse des Fahrzeugs gesetzt werden. Das heißt, dass spritfressende Limousinen so zu "relativ" klimafreundlichen Fahrzeugen werden.