EU soll gegen Google-Bookscans vorgehen

Kultur- und Medienminister der Mitgliedsstaaten erwarten von der Kommission "Handlungsempfehlungen" und eigene Maßnahmen gegen den amerikanischen Konzern

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Auf einer EU-Ministerratssitzung am Dienstag sprachen sich mehrere Kultur- und Medienminister der EU-Mitgliedstaaten gegen die Google-Bookscans aus und forderten ein stärkeres Engagement der Kommission. Laut Wettbewerbskommissarin Reding führt diese bereits "Gespräche" mit dem Konzern, sieht aber weiteren Bedarf für ein "aktives europäisches Engagement".

Als Wortführer der Google-Kritiker betätigte sich der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der das Thema auf die Tagesordnung setzen ließ. Ihm zufolge widersprechen die Aktivitäten des amerikanischen Konzerns dem "europäischen Urheberrechtsverständnis, das aus guten Gründen die Einwilligung des Urhebers vor einer digitalen Nutzung voraussetzt". Allerdings haben auch amerikanische Autoren Verbotsrechte gegenüber Google, was nicht zuletzt durch die Opt-Out-Möglichkeit und das derzeit laufende Verfahren deutlich wird. Zudem schränkte gerade das Kabinett Merkel, dem auch Neumann angehört, diesen Einwilligungsgrundsatz durch den neuen § 31a des Urheberrechtsgesetzes deutlich ein, indem es eine Übertragung "unbekannter Nutzungsarten" ermöglichte, welche seitdem Bestandteil der meisten Standardverträge ist.

Darüber hinaus hält Neumann das Vorgehen des Konzerns "aus kultur- und medienpolitischer Sicht" für "problematisch". Seine Ausführungen zu diesem Bereich widersprechen jedoch etwas seinen rechtspolitischen Einlassungen. Bücher sind danach "als Kulturgüter Teil der kulturellen Identität von Nationen und damit genuin öffentliche Güter". Es sei deshalb, so der Kulturstaatsminister in einer ungewöhnlichen Sicht auf das privatwirtschaftlich organisierte Gewerbe, "wichtig, dass die digitale Verfügungsgewalt über solche Bestände auf nationaler und europäischer Ebene auch in öffentlicher Verantwortung" bleibe. Verblüffend ist diese Einschätzung Neumanns unter anderem deshalb, weil sich diese Verfügungsgewalt derzeit gerade nicht in öffentlicher Hand befindet, sondern in der von Verlagen, die zu einem guten Teil nicht nur auf "nationaler" oder "europäischer" Ebene agieren.

Hintergrund dieser Ausführungen des CDU-Politikers war eine Stärkung der Position öffentlich finanzierter Projekte wie der Europäischen Digitalen Bibliothek Europeana und der Deutschen Digitalen Bibliothek, die durch das privatwirtschaftliche Engagement von Google nur noch bedingt notwendig sind. Trotzdem bezeichnete sie Neumann als "unverzichtbare Instrumente", welche die europäischen Minister "mit vereinten Kräften vorantreiben" müssten, weil sie "unabhängig von kommerziellen Gesichtspunkten" entscheiden würden, "welche Digitalisate aus ihren Beständen der Öffentlichkeit zu welchen Konditionen zugänglich gemacht werden". Bei diesen Entscheidungen handelt es sich jedoch ausschließlich um Einschränkungen, während Google alle gemeinfreien und nicht mehr lieferbaren Bücher scannen will, die in wichtigen amerikanischen Bibliotheken zugänglich sind, gegen die Rechteinhaber kein Veto einlegen.

Obwohl Google von Autoren und Verlagen keine exklusiven Rechte fordert, sieht Neumann die "Gefahr eines Quasi-Monopols für kulturelle Inhalte", das abzulehnen sei, weil es die "Vielfalt von Medien und Medieninhalten" gefährden würde. Allerdings ist diese Vielfalt möglicherweise wesentlich stärker durch Einschränkungen der Redefreiheit gefährdet, die immer häufiger mit einer angeblichen Verletzung "geistiger Eigentumsrechte" begründet werden.