Eiszeiten und Klimawandel

Seite 2: Projektion statt Vorhersage

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Zum Interview lässt sich noch manches andere sagen. Zum Beispiel, dass der Interviewer einen Wissenschaftler befragt, aber nicht den Unterschied zwischen Theorie und These kennt. Ersteres wird in der Wissenschaft als ein in sich widerspruchsfreies und verifiziertes Modell zur Erklärung bestimmter Zusammenhänge verstanden.

Letzteres ist eine Annahme, meist aufgrund von Beobachtungen aufgestellt und zur Beantwortung ungelöster Fragen derart formuliert, dass sie mit weiterer Forschung verifiziert oder falsifiziert, also für richtig oder falsch befunden werden kann.

Anzumerken wäre auch, dass in der Druckausgabe die Überschrift noch "Das Zickzack der Zukunft" lautete, im Internet aber dann zu "Mit absoluter Sicherheit ist die Klimazukunft nicht vorhersehbar" wurde. Letzteres hat mit dem Inhalt des ansonsten lesenswerten Interviews weniger zu tun, will aber offensichtlich auf die Frage des Klimawandels zuspitzen.

Interessanterweise tut es dies mit einem Zitat, das aus dem Zusammenhang gerissen eine bemerkenswerte Zweideutigkeit enthält, über die Sprachwissenschaftler sicherlich manch Schlaues zu sagen hätten.

Doch egal wie man diese Überschrift liest - "Es ist keine 100prozentige Vorhersage möglich" oder "Es ist sicherlich keine Vorhersage möglich" - festzuhalten bleibt: Die Klimawissenschaftler haben gar nicht den Anspruch, die Zukunft vorherzusagen. Das kann streng genommen ohnehin keiner.

Wenn man nämlich mit dem Auto auf eine Wand zufährt, ohne den Fuß vom Gas zu nehmen, ist nicht 100 Prozent sicher, dass es zu einem schweren Unfall kommen wird. Es können immer noch Ereignisse eintreten, die dies verhindern. Nur sind diese nicht besonders wahrscheinlich. Der Autofahrer kann sich also ziemlich sicher sein, dass er besser den Fuß vom Gaspedal nehmen und lieber auf die Bremse treten sollte.

So ähnlich geht es auch in den Klimawissenschaften zu. Sie erforschen die diversen Komponenten des Klimasystems, entwickeln auf dieser Grundlage Modelle und treffen damit Aussagen wie: Wenn wir bis zum Ende der Jahrhunderts ungebremst wie bisher oder gar verstärkt Treibhausgase emittieren, also noch einmal etwa das Doppelte, dann ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 bis 100 Prozent davon auszugehen, dass die globale Durchschnittstemperatur im Zeitraum 2081 bis 2100 um 2,6 bis 4,8 Grad Celsius über der des Zeitraums 1986 bis 2005 liegen wird.

Dies - eine Zusammenfassung einer Aussage des letzten IPCC-Berichts - ist eher eine Abschätzung als eine Vorhersage, zumal in diesen Aussagen immer implizit enthalten ist, dass keine größere, das globale Klima beeinflussende Naturkatastrophe eintritt, wie es eine Serie sehr starker Vulkanausbrüche oder ein größerer Meteoriteneinschlag darstellen würde. Die Wissenschaftler hüten sich entsprechend, ihre Aussagen Vorhersage zu nennen, sondern sprechen lieber von Projektionen.