Energieversorger beklagen Änderung der Spielregeln im Spiel

Die großen europäischen Energieerzeuger haben sich bei EU-Energiekommissar Oettinger beklagt

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Am späten Mittwoch reiste der spanische Industrieminister José Manuel Soria nach Brüssel, um EU-Energiekommissar Günther Oettinger zu beruhigen. Am Vorabend hatten sich die 12 großen europäischen Energieversorgungsunternehmen bei Oettinger in Brüssel beschwert und einen klaren und stabilen Rahmen gefordert. Mit Unsicherheit wie in Spanien müsse Schluss sein, hatten spanische Firmen wie Iberdrola, Gas Natural und Fenosa, die italienischen Enel und Eni, die deutschen E.ON und RWE, die österreichische OMV und andere gefordert.

Spanien steht mit ständigen Veränderungen für das, was die Energieriesen aber auch kleine Energieerzeuger besonders beklagen. Der Photovoltaik-Verband Anpier läuft gegen fünf rückwirkende Gesetzesveränderung in letzten beiden Jahren Sturm. Mit ihnen sei die eigentlich für bis zu 30 Jahre garantierte Einspeisevergütung um mehr als 40 Prozent gekürzt worden. Kleinanleger seien darüber in den Ruin getrieben worden.

Die Kritik von Anpier-Präsident Miguel Ángel Martínez Aroca deckt sich weitgehend mit der großer Energieversorger. "Die Regierung hat Investoren angeregt, ihr Geld in erneuerbare Energien zu stecken und ihnen bestimmte Konditionen garantiert, die nun gebrochen werden." Spanien habe sich auf das Niveau eines Drittweltlandes begeben, in dem es keine Rechtssicherheit gäbe, fügte er an. Spanien will nun alle Anlagen registrieren und Steuern auf allen Wind- und Solarstrom erheben, auch wenn er selbst verbraucht wird.

Rechtssicherheit forderten beim Abendessen mit Oettinger auch Iberdrola, RWE, OMV und Co. und stießenbei ihm nicht auf taube Ohren. Der deutsche EU Kommissar hatte schon mehrfach gewarnt, dass rückwirkende Änderungen "das Vertrauen von Investoren" untergraben würden. Seine Sprecherin Marlene Holzner sagte, die EU-Kommission noch prüfe noch, ob die im vergangenen Juli beschlossene neue Reform mit EU-Richtlinien vereinbar sei. Das "Investitionsklima" dürfe nicht negativ im spanischen Energiesektor beeinflusst werden. Das gelte besonders für "erneuerbare Energien". Und das gelte nicht allein für Spanien, sondern für die gesamte EU.

Sie hatte dabei auch die Klagen von Betroffenen im Blick. Regierungen von spanischen Regionen klagen gegen die Reform vor dem nationalen Verfassungsgericht, Anpier zog vor den Europäischen Gerichtshof und große Investitionsfonds haben Verfahren vor internationalen Schiedsgerichten angestrengt. Und nun versuchen die großen Energieversorger in Brüssel zu erreichen, dass die EU-Kommission die spanische Energiereform ablehnt.

Das spanische "Tarifdefizit"

Die Chancen dafür haben sich weiter verbessert. Denn die Regierung hat einen ihrer zentralen Pfeiler selbst wieder über Bord geworfen. Um das sogenannte Tarifdefizit abzubauen, wollte sie 3,6 Milliarden Euro beisteuern, um nicht allein die Verbraucher weiter zu belasten. Daraus wird nichts, weil das Haushaltsdefizit erneut aus dem Ruder läuft. Auch Zahlungen an Lieferanten sollen ins nächste Jahr recurre ano mas retraso pagos intentar cumplir deficit_2013120300204.html verschoben werden, um sich nicht zu weit vom mehrfach nach oben verschobenen Defizitziel von 6,5 Prozent abzuweichen. 2012 lag es sogar bei 10,6 Prozent und musste mehrfach nach oben korrigiert wurden, weil den europäischen Statistiker die Tricks auffielen.

Die spanischen Energieriesen fürchten, ihnen werde diese Summe aufgebraten, womit ihre Gewinne einbrechen würden. Denn nach enormen Preissteigerungen der letzten Jahre hat das Industrieministerium auch erklärt, kräftige Preissprünge würden unterbunden, mit denen die Kosten auf die Verbraucher abgewälzt werden könnten. Eine zentrale Forderung der EU-Kommission könnte aber nicht erfüllt werden, nämlich das enorme "Tarifdefizit" abzubauen. Seit 2005 habe sich ein Fehlbetrag von über 26 Milliarden Euro aufgebaut, obwohl sich die Strompreise seither fast verdoppelt haben.

Das Tarifdefizit ist eine spanische Besonderheit und dafür macht die konservative Regierung erneuerbaren Energien verantwortlich. Allerdings hatte Oettinger im vergangenen Jahr festgestellt, dass es für Sonnenländer wie Spanien "billiger ist, in erneuerbare Energien zu investieren, als Energie aus Algerien oder anderen Ländern zu importieren". Er verwies auf extreme und teure Abhängigkeit von Energieimporten. Für das Tarifdefizit machte er vor allem "unzureichende Konkurrenz" verantwortlich und mahnte Veränderungen an.

Längst abgeschriebenen Anlagen "wie Atom und Wasserkraftwerke" erhielten eine "exzessive Vergütung" für produzierten Strom. Dieses Tarifsystem hatten die Konservativen 2001 eingeführt. Danach werden zwar zunächst die kostengünstigsten Kraftwerke zur Deckung der Stromversorgung betrieben und stets zur Deckung die nächst teure Anlage zugeschaltet. Das klingt vernünftig. Ist es aber nicht. Denn die zuletzt zugeschaltete Anlage – also die teuerste – bestimmt den Endpreis. Daraus entsteht scheinbar ein Defizit, obwohl die großen Energieerzeuger damit besonders hohe Gewinne erwirtschaftet haben.