Es lebe die Eintönigkeit und der Jargon?

"Arbeitslos" als soziales Unwort

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Die "Nationale Armutskonferenz" (nak) ist ein Verbund großer Wohlfahrtsverbände mit dem Ziel, von Armut betroffene oder bedrohte Menschen zu unterstützen. Zu ihrem Auftrag, "einen Beitrag zu einer veränderten Politik zu leisten", der die Lebenslage armer Menschen verbessern soll, gehört nach eigener Sicht auch die begriffliche Arbeit gegen Diskriminierung und die Verbreitung von Klischees. Dass das Sprachliche nicht zu den Stärken des Verbundes gehört, merkt man jedoch bereits an seiner Selbstdarstellung.

Nun hat die Organisation eine "Liste der sozialen Unwörter" veröffentlicht, die aufhorchen lässt, da sich auf ihr Begriffe befinden, die im Alltagsgebrauch weit verbreitet sind, ohne dass demjenigen, der sie verwendet, gegenwärtig und bewusst sein dürfte, dass er damit einer Abwertung zuarbeitet. Zum Beispiel bei der Verwendung des Begriffs "arbeitslos", Platz 2 auf der Liste mit 23 Unworten.

Er oder sie sollte besser "erwerbslos" sagen, klärt der Kommentar zum Unwortpaar "arbeitslos/langzeitarbeitslos" auf: "Weil es viele Arbeitsformen gibt, die kein Einkommen sichern." Gut, wir sprechen und schreiben von nun an von "Erwerbslosen". Aber was ist in drei Jahren? Wenn "erwerbslos" den ganzen Unrat an faulen Assoziationsschwärmen angezogen hat, der zuvor um "arbeitslos" herumgesummt ist, was dann?

"Alleinerziehend" steht auch auf der Liste, auf Platz 1. Mit der Begründung: "Sagt nichts über mangelnde soziale Einbettung oder gar Erziehungsqualität aus. Beides wird jedoch häufig mit 'alleinerziehend' assoziiert." Welches Synonym würde einem dazu einfallen? Welche Umschreibung, die nicht auf Härten hinweist, die mit der Situation einer Mutter oder eines Vaters verbunden ist, die ohne festen Partner ein Kind versorgen? Welcher Sonnenschein an steriler Begrifflichkeit soll auf schwierige Lebensumstände fallen?

Auf der Liste tauchen allerdings auch andere Begriffe auf, deren Nennung nicht die Frage aufwirft, wohin diese Art der Sprachkritik im Einzelfall führen soll, etwa beim "Sozialschmarotzer" auf Platz 18. Das ist eine Beleidigung. Und den Begriff "Behindertentransport", auf Platz 4 ("Objekte werden transportiert, Menschen aber werden befördert"), kann man tatsächlich nur in Zusammenhängen verwenden, die ein mit Absicht ein schlechtes Bild auf den Amtsträger zurückwerfen, der solche Schilder vor dem Kopf hat.

Auch das "Unwort unter den Unwörtern", das die nak unter den Einsendungen der befragten Mitgliederorganisationen in ihrem Vorwort zur Liste hervorhebt - "sozial schwach" - ist ohne Einschränkung als irreführende Floskel zu bezeichnen, die Journalisten viel zu leicht in den Sprachfluss gerät. Doch ist die Ambition der Korrektheit, die im Vorwort vom Sprecher der nak, Thomas Beyer, geäußert wird, von einer klinischen Sprachkultur geprägt, die in die Höhe streben mag, aber am saftlosen Ast moralischer Ansprüche verdorrt: "Sprache ist nicht neutral, Sprache bewertet. Vor diesem Hintergrund sollten wir alle Sprache so nutzen, dass sie keine Klischees (re)produziert."