Geheimniskrämerei

Energiekonzerne lassen sich nicht in die Karten schauen, Umweltschützer wollen daher Akteneinsicht erzwingen

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Nach den Warnungen der Bundesnetzagentur vor Stromausfällen aufgrund abgeschalteter AKW möchte die Umweltschutzorganisation Greenpeace es gerne etwas genauer wissen. Unter Berufung auf das Umweltinformationsgesetz hat die Umweltschutzorganisation heute von der Agentur die Herausgabe der Netzdaten beantragt, um sich selbst ein Bild von der Situation machen zu können.

Bisher werden die detaillierten Daten über Leitungskapazitäten, Verbrauch und Erzeugung diese wie Geschäftsgeheimnisse behandelt, über deren Veröffentlichung die Konzerne nach eigenem Gutdünken entscheiden. Selbst Behörden und Politiker haben bisher die behaupteten Probleme nicht überprüfen können. Angesichts der zentralen Bedeutung dieser Informationen für die Diskussion über die künftige Energieversorgung ist das schon bemerkenswert und ein Grund mehr, die Weisheit der derzeitigen Besitzverhältnisse am Netz in Frage zu stellen.

"Die Bundesnetzagentur macht sich zum nützlichen Idioten der Atomlobby, wenn sie leichtfertig und ungeprüft den Aussagen der Netzbetreiber zu möglichen Blackouts traut", meint Greenpeace-Energieexperte Andree Böhling. "Es stinkt zum Himmel, wenn die gleichen Konzerne, die um längere Laufzeiten für AKW kämpfen, vor Blackouts warnen, ohne dafür Belege vorzulegen. Alle Netzdaten der Energieversorger müssen transparent gemacht und einer unabhängigen wissenschaftlichen Überprüfung unterzogen werden."

"Es ist ungeheuerlich, dass die Bundesregierung anhand dieser unseriösen Datenlage den Atomausstieg verlangsamt und Atomkraftwerke in Reserve vorhalten will. Die Vorstellung, kaum regelbare Atomkraftwerke statt Gaskraftwerke vorhalten zu wollen, ist energiewirtschaftlich ohnehin abenteuerlich", so Böhling.

Auch beim Bundeswirtschaftsministerium und der Deutschen-Energie-Agentur ( dena) hat Greenpeace Anträge auf Akteneinsicht gestellt. Hintergrund ist der Druck, der für den weiteren Ausbau der Übertragungsnetze ausgeübt wird. Als Begründung werden meist verschiedene dena-Studien angeführt, die auf unüberprüfbaren Angaben der Netzbetreiber, meist identisch mit den großen Stromkonzernen, beruhen.

Das Forum Netzintegration, ein Zusammenschluss verschiedener Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen und Vertretern kleinerer Versorger sowie der Verbände der Erneuerbaren, hatte bereits im Herbst 2010 mit einem "Plan N" gezeigt, dass der Ausbaubedarf erheblich reduziert und die Konflikte mit Anwohnern minimiert werden könnten. Notwendig wäre allerdings, dass die Karten tatsächlich auf den Tisch gelegt werden und die vom Leitungsausbau Betroffenen sicher sein könnten, dass die Strommasten nicht für neue Kohlekraftwerke in die Landschaft gestellt werden.