Gehorsam bis in den Tod?

Am Mittwoch stellte das russische Luftfahrtkomitee den ersten offiziellen Untersuchungsbericht über die Ursache des Flugzeugunglücks von Smolensk vor

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Die Ergebnisse des Untersuchungsberichts sind zwar nicht endgültig, doch sie verstärken die These, dass die Piloten der polnischen Präsidentenmaschine unter Druck gesetzt worden sein könnten. Der Grund dafür ist die Auswertung der Black Boxes, auf deren Aufzeichnungen nicht nur die Stimmen der Cockpitinsassen zu hören sind, sondern auch die von zwei Passagieren. Bei einer dieser Stimmen soll es sich um die von General Andrzej Blasik handeln, dem ebenfalls in Smolensk verstorbenen Oberbefehlshaber der polnischen Luftstreitkräfte. Das stärkt die These, dass auf die Piloten Druck ausgeübt wurde. Ein Grund könnte sei, dass die Maschine des Präsidenten in Warschau 27 Minuten später als geplant gestartet war.

Die Informationen, die bisher über das Flugzeugunglück von Smolensk an die Öffentlichkeit drangen, waren eher dürftig. In den Medien tauchten zwar viele Berichte auf, doch des Öfteren wurden diese von den polnischen und russischen Untersuchungsbehörden dementiert oder gar nicht kommentiert. Doch nun dürften die ersten Verschwörungstheoretiker, die sich auf Internetseiten wie Smolensk-2010.pl oder in den Redaktionen nationalkonservativer polnischer Medien tummeln, einige ihrer Thesen überdenken. Am Mittwoch fand in den Moskauer Räumen der russischen Nachrichtenagentur Interfax eine Pressekonferenz statt, bei der das russische Luftfahrtkomitee ( MAK) einen ersten Bericht zu dem Unglück vorstellte.

Ein Terroranschlag, ein technischer Fehler, ein Brand sowie eine Explosion werden ausgeschlossen. Nach Angaben der russischen Ermittler waren die Piloten auch über die zu dem Zeitpunkt in Smolensk herrschenden Wetterverhältnisse informiert. Die Piloten der JAK-40 meldeten sogar noch vier Minuten vor dem Landeversuch der TU-154 ihren Kollegen, dass die Sicht aufgrund des Nebels nur 200 Meter betrage. Dennoch beschloss die Besatzung des Präsidentenflugzeuges in Smolensk zu landen. Dabei hätte sie sich auch dazu entschließen können, einen anderen Flughafen anzufliegen, so wie ihr von den Smolensker Fluglotsen empfohlen wurde. Zum Zeitpunkt der Katastrophe war das Flugzeug ebenfalls in einem technisch einwandfreien Zustand. Und auch die Warnsysteme an Bord funktionierten bis zum Schluss.

Wie schon in den letzten Wochen berichtet wurde, stürzte die Maschine nicht um 10.56 Uhr Ortszeit ab, wie noch am Unglückstag vermeldet, sondern um 10.41 Uhr, also um 8.41 Uhr MEZ. Wie schon erwähnt, wurden die Piloten der Unglücksmaschine noch vier Minuten vor dem Landeanflug vor dem dichten Nebel gewarnt. Doch was hat die Piloten dazu bewogen, trotz der schlechten Wetterverhältnisse sowie der Warnungen ihrer polnischen Piloten und der russischen Fluglotsen, mit denen es keine Verständigungsprobleme gab, wie ursprünglich vermutet wurde, in Smolensk landen zu wollen?

Eine mögliche Antwort auf diese Frage wäre die Unerfahrenheit der Crew. Zudem musste die polnische Seite zugeben, dass die Cockpitbesatzung keine regelmäßigen Flugübungen absolviert hat. Wie gestern bekannt wurde, sind von den Black Boxes nicht nur die Stimmen der Cockpitbesatzungen aufgezeichnet worden, sondern auch die von zwei Passagieren, und dies 16-20 Minuten vor dem Absturz. Eine der Stimmen konnte auch identifiziert werden. Doch um wen es sich handelt und was gesagt wurde, wollten die Ermittler bei der gestrigen Pressekonferenz nicht verraten.

Dieser erste Untersuchungsbericht stieß in Polen auf geteilte Meinungen. Während Vertreter der regierenden Bürgerplattform (PO) ihn positiv aufnahmen, äußerten sich einige Politiker der konservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS) skeptisch über diese ersten Untersuchungsergebnisse. So kritisiert der PiS-Abgeordnete Jacek Zielinski, dass sich die russischen Behörden bei ihren Ermittlungen bewusst auf die polnische Bordbesatzung konzentriert hatten. Die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita sagt daher, dass nur die Veröffentlichung der Black Box-Aufzeichnungen alle Zweifel beseitigen könnte.