Geistige Eigentümer eigentümlicher Geister

Precht sang der GEMA ihr jährliches Klagelied

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Anlässlich ihrer jährlichen Sitzung ließ die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) am 9.Mai in Berlin als Klageweib den Philosoph, Publizist und Buchautor Prof. Dr. Richard David Precht jammern. Der stets vorbildlich frisierte Precht referierte zur "Wertschätzung künstlerischen Schaffens“ und forderte "mehr Respekt vor geistigem Eigentum und der Arbeit von Komponisten und Textdichtern“. (Mit Respekt kennt sich die ehrenwerte Gesellschaft aus ...) Den Wert der künstlerischen Arbeit sieht Precht aus zwei Richtungen bedroht, nämlich zum einen durch "Raubkopieren" und illegale Vervielfältigung in der digitalen Welt und zum anderen durch eine starke Desensibilisierung innerhalb der Welt der Distributoren, also der Verlage, Labels usw., die fast ausschließlich daran interessiert seien, Umsatz zu machen. Bezeichnend dafür sei der Begriff des "Contents", der jegliche Qualität und allen Wert künstlerischer Arbeit nivelliere.

Auch Precht scheint ein Textdichter zu sein, denn der juristisch klingende Begriff "Raubkopie" ergibt mangels gewaltsamer Wegnahme einer fremden beweglichen Sache keinen objektiven Sinn. Möglicherweise lässt sich "Raubkopie" jedoch besser vertonen und reimen als "unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke". Den Zahlen der Künstlersozialkasse nach zu urteilen geht es Künstlern heute allerdings wirtschaftlich besser als vor dem Siegeszug des Internet. Dank der globalen Vernetzung kann mehr Kunst respektiert werden als je zuvor. Ebenso können Künstler mit entsprechendem Esprit Reichweite erzielen, ohne auf die Besetzungscouch angewiesen zu sein. Doch mit welchem Instrument will Precht mehr Respekt vor "geistigem Eigentum" (sic!) stimulieren - Klagemauer, Shitstorm, GEMA-Eid? Nein: Precht schlägt mehr Bildung vor. Da muss man erstmal drauf kommen. Gebildete werden allerdings einwenden wollen, dass mehr Bildung auch mehr "raubkopiertes" Lehrmaterial bedeutet ...

Überzeugender wirkt Prechts Kritik an der Verwertungsindustrie, jenen Unkreativen, die Künstler über den Tisch ziehen und Verbraucher kriminalisieren. Die Erkenntnis allerdings, dass professionelle privatwirtschaftliche Verwerter publikumsgängigen Content absetzen, für die wahrhaftige Kunst jedoch nicht den Etat eines öffentlich-rechtlichen Senders aufbieten werden, ist so bahnbrechend nun auch nicht.

Ins gleiche verstaubte Horn stieß der Vorsitzende der Akademie Deutscher Musikautoren, Prof. Dr. Enjott Schneider, der generell mehr "Achtsamkeit gegenüber schöpferischer Arbeit" propagierte. Der momentan vorherrschende quantitative Blick auf Quoten, Verkaufszahlen und finanziellen Gegenwert müsse wieder hinsichtlich qualitativen Denkens auf Kunst und Kunstförderung geschärft werden.“ Letzteres ist allerdings wohl auch eher eine blumige Umschreibung für Geld, das vermutlich aus der öffentlichen Hand kommen soll.

Nachdem Schalmeien und Engelschöre und Precht verhallt und die Lachshäppchen aufgefuttert waren, stoben die gebildeten geistigen Eigentümer wieder auseinander, um die Flächen von Bildungseinrichtungen wie Tanzschulen zu vermessen, Kindergärten die Noten für Klassiker zu vergellen und YouTube zum Talibanisieren des deutschen Internets zu stimulieren. Die GEMA - man muss sie einfach lieben!