Geringes Einkommen der Eltern schlägt sich auf die Körpergröße der Kinder nieder

Wer arm und wenig gebildet ist, stirbt nicht nur früher, sondern hat normalerweise auch eine geringere Körpergröße

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Wer wenig Geld verdient, eine geringere Bildung besitzt und der unteren sozialen Schicht angehört, wird früher krank und stirbt eher als die Menschen mit höherem Einkommen und höherer Bildung ( Wer lang studiert, lebt auch länger). Damit sind die ärmeren Menschen doppelt gestraft, während die Devise zu heißen scheint, dass dem gegeben wird, der eh schon mehr hat. Natürlich wirkt sich die Schichtzugehörigkeit auch psychisch aus, denn soziale Schichten prägen die Weltanschauung ihrer Angehörigen.

Wie der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkfraktion zur Rentenreform zu entnehmen ist, so hat der linke Abgeordnete und Sozialwissenschaftler Matthias Birkwald ausgerechnet, vergrößerte sich die letale Kluft in den letzten Jahren in Deutschland, was die Regierung eigentlich sehr beunruhigen müsste. Zwar werden die Menschen durchschnittlich (noch) immer älter, aber bei den Menschen mit geringem Einkommen geht die Lebenserwartung überraschend schnell zurück. 2001 wurden Männer mit geringem Einkommen noch durchschnittlich 77,5 Jahre alt, 2010 nur noch 75,5 Jahre. In Ostdeutschland ist der Trend noch drastischer. Geringverdienende Männer starben hier 2001 durchschnittlich mit 77,9 Jahren, 2010 schon mit 74,1 Jahren, während Männer mit hohen Einkommen 1,5 Jahre länger lebten. Das entlastet die Rentenkassen, macht aber eindrücklich die herrschende Benachteiligung deutlich, die sich in Lebensjahren und Gesundheit abmessen lässt.

Die Benachteiligung lässt sich aber auch noch auf andere Weise zeigen, wie Prof. Dr. Jörg Baten von der Universität Tübingen und Andreas Böhm vom Landesgesundheitsamt Brandenburg gezeigt haben. Allein aus der Körpergröße kann man statistisch schließen, dass schlechte Ernährung und Gesundheitsversorgung eine Rolle spielen. Andersherum lässt sich aus der kleinen Körpergröße eines Menschen keineswegs ableiten, dass er in Armut aufgewachsen ist, weil die Körpergröße auch genetisch bedingt ist. Trotzdem ist allgemein zu beobachten, so Baten, dass bei Menschen, die aufgrund von Naturkatastrophen oder Kriegen hungern mussten, im Gegensatz zu jenen, die in Regionen mit guter Versorgung lebten, die Körpergröße geringer war.

Die Wissenschaftler haben anhand von 250.000 Kindern in Brandenburg deren Wachstum zwischen 1994 und 2006 untersucht. Die Daten, die bei der Einschulung erhoben wurden, stammten vom Landesgesundheitsamt Brandenburg und umfassten nicht nur Körpergröße, Alter und Geschlecht, sondern auch sozioökonomische Daten. Danach scheint die Arbeitslosigkeit der Eltern einen großen Einfluss auf das Körperwachstum der Kinder zu haben, die also kleiner bleiben. Allerdings soll weniger das geringere Einkommen als "psychologischer Stress und die Frustration der Eltern" die entscheidende Rolle spielen.

Überdies wanderten eher die Menschen aus den höher gebildeten Schichten ab, die sich stärker um die Ernährung und die medizinische Versorgung der Kinder kümmern als die weniger gebildeten. Es soll vor allem auch die Ausbildung der Mutter eine wichtige Rolle spielen. Die Wissenschaftler vermuten also, dass höhere Ausbildung auch dafür sorgt, dass die Kinder besser versorgt und ernährt werden. Alleinerziehende sind da nicht schlechter als Familien mit Vater und Mutter, aber die Größe der Kinder scheint auch dadurch positiv beeinflusst zu werden, wenn drei und mehr Erwachsene im Haushalt leben, also beispielsweise Großeltern oder andere Erwachsene. Fazit der Wissenschaftler ist, "dass Körpergröße von Kindern als ein äußerst sensibler Indikator für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung einer Region herangezogen werden kann".