Gut Ding will Weile haben

Portishead veröffentlichen nach 14 Jahren ihr erstes gutes Album

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Gut Ding will Weile haben – das ist ein Grundsatz der sich in der Popmusik bisher eher selten bestätigte. Da herrschte vielmehr das Phänomen vor, dass nach ein oder zwei guten Jahren nichts Interessantes mehr nachkam.

Portishead, die 1994 zu den Begründern des überwiegend langweiligen Genres "Trip Hop" zählten und damals viel Erfolg hatten, lieferten jetzt, im Frühjahr 2008, mit ihrem Album Third die große Ausnahme: Man kannte zwar das Phänomen, dass Musiker gut anfingen und dann noch besser wurden (Johnny Cash) – aber dass eine Band fast vierzehn Jahre benötigt, bis sie ihr erstes wirklich sehr gutes Album veröffentlicht, das ist neu. Dabei waren Portishead vorher keineswegs erfolglos – ganz im Gegenteil. Sie brachten lediglich – wie auch viele andere erfolgreiche Musiker – keine besonders interessanten Werke hervor. Das neue Album bestätigt das eingangs zitierte Sprichwort aber auch noch in einem zweiten Sinne: Angekündigt war es seit vier Jahren, die letzte Studio-LP der Band erschien 1997.

Bereits vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin erschienen die 11 Stücke von "Third" als kostenloser Webstream auf last.fm. Die beiden mit Abstand besten sind das zurecht und zwingend sechseinhalb Minuten lange "We Carry On" (hier ein kitschiges Video, also Augen schließen), das klingt wie ein Mashup aus der EBM-Version eines Throbbing-Gristle-Stücks mit Beth Gibbons und Factory-Gitarre sowie Machine Gun, mit Beats wie der ganz frühe Schoolly D, die mehr mit Industrial als mit Hip Hop zu tun hatten. Der Zündfunk und die Zeit bemühten sogar den Begriff der Avantgarde, um das neue Album zu beschreiben – das ist zwar eine Übertreibung, aber angesichts dessen, dass sich Pop-Fortschritte in den letzten gut 15 Jahren eher im Rezeptions- als im Soundbereich zeigten, eine nicht ganz unverständliche.