Haushaltsumfrage der Notenbanken: Zyprer zählen zu den reichsten Europäern

Das Nettovermögen der zyprischen Haushalte liegt demmach weit über dem europäischen Durchschnitt. Die Ergebnisse der EZB-Befragung werden allerdings stark kritisiert

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Als die Deutsche Bundesbank Ende März ihre Vergleichsstudie zu den Vermögen europäischer Haushalte vorlegte Deutsche Vermögen sind besonders ungleich verteilt, verursachte dies einigen Wirbel, weil die deutschen Haushalte schlechter abschnitten, als man dies erwartet hatte. "Sowohl der Durchschnitt als auch der Median des Nettovermögens in Deutschland liegen niedriger als in anderen großen Ländern des Euro-Raums, für die es vergleichbare Angaben gibt", so das Fazit des Berichts in aller grob geraffter Kürze.

Freilich folgten der Veröffentlichung, die auf freiwillige Auskünfte der befragten Haushalte beruhen, rasch kritische Anmerkungen, warf sie doch heikle Fragen auf. Zum Beispiel nach der ungleichen Verteilung von Vermögen in Deutschland – und, angesichts der Diskussion über Hilfen im Euro-Raum, auch danach, wie es komme, dass Haushalte in Deutschland, das in der öffentlichen Wahrnehmung meist als erster Zahlmeister für die Unterstützung südeuropäischer Staaten dargestellt wird, weniger Vermögen haben als Haushalte in kriselnden südeuropäischen Staaten wie etwa Spanien und Italien. Das birgt einigen psychopolitischen Zündstoff.

Die Angaben der Haus-und Wohnungseigentümer

Entschärft wurde er mit Hinweisen darauf, dass Immobilien bei den Vermögensangaben eine große Rolle spielen. Die Haushalte in Spanien oder Italien hätten bei ihren Angaben mit einiger Wahrscheinlichkeit übertrieben, wurde angemerkt. Und dazu, dass die Befragungen zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurden, wo die Auswirkungen der Immobilienkrise zum Beispiel in Spanien sich noch nicht so sehr auf den Wert des Immobilienbesitzes niedergeschlagen hätte, wie dies später der Fall war (und im Fall Deutschland wurde noch auf die Besonderheit der Unterschiede zwischen Ost-und West hingewiesen, mit dem Hinweis, dass sowohl der Durchschnitts- wie der Medianwert des Nettovermögens westdeutscher Haushalte durchaus im oberen Bereich liege). Die Bundesbank würde die Südeuropäer reich rechnen, kommentierte die Welt. (Ergänzung: Andere Veröffentlichungen wiesen darauf hin, dass auch Renten-und Pensionsansprüche hineingerechnet werden müssten, um ein besseres Bild der Vermögensverhältnisse zu haben.)

Es gab aber auch Stimmen, die darauf pochten, dass die Ergebnisse der Befragungen Brisantes enthalten. So hieß es mit Bezug auf Notenbankkreise, dass die Ergebnisse aus Zypern nicht ohne Grund fehlten. Könnte ja sein, dass die Haushaltsvermögen der Insel ein Bild ergeben, das nicht gut zu jenem passen würde, das angesichts der Bankenkrise in Zypern in der Öffentlichkeit kursierte und die Hilfsbedürftigkeit herausstellte. Die Verhandlungen über das Rettungspaket für Zypern waren erst im Gange. So wurde laut FAZ in Notenbankkreisen "geargwöhnt, die brisanten Daten sollten unter Verschluss gehalten werden, bis das Stabilisierungsprogramm für Zypern in trockenen Tüchern sei".

Zypern: Durchschnittsnettovermögen bei 670.000 Euro

Die Zypernkrise ist nun erstmal aus den Top-Nachrichten verschwunden, gestern veröffentlichte die Europäische Zentralbank ihre Befragungsergebnisse einschließlich Zypern, The Eurosystem Household Finance and Consumption Survey. In der Umfrage zeigt sich, dass die Zyprer zumindest dieser Statistik zufolge zu den reichsten Europäern zählen. Der Median der Nettovermögen zyprischer Haushalte liegt bei 266.900 Euro, der Durchschnitt bei 670.900 Euro (das ist der 2. Platz in Europa hinter Luxemburg mit 710.100). Zum Vergleich: der Medianwert in Deutschland wurde mit 51.400 Euro angegeben, der Durchschnitt des Nettovermögens mit 195.000 Euro. Die Werte für den Westen Deutschlands liegen mit 78.900 Euro als Median und 230.240 im Durchschnitt etwas höher. Der Medianwert im Euroraum liegt bei etwa 109.000 Euro.

Die Zahlen aus Zypern zeigen auffällige Abstände, einmal im Vergleich zu Haushalten aus anderen europäischen Ländern (an dritter Stelle liegt etwa Malta mit 366.600 als Durchschnittsnettovermögen und Belgien mit 338.600 an vierter Stelle). Zum anderen weist der große Abstand zwischen dem Medianwert in Zypern von 266.900 Euro und dem Durchnittswert von 670.900 auf beträchtliche Vermögen in den oberen Schichten hin. Daraus ergibt sich einiger Erklärungsbedarf für die Öffentlichkeit.

Wie bei der Bundesbankbefragung, die Teil der Gesamtbefragung der europäischen Notenbanken ist - insgesamt wurden 62.000 Haushalte befragt, Daten aus Irland und Estland stehen noch aus -, werden die Zahlen in der Berichterstattung nun relativiert. Wie vergleichbar sind sie? Hauptpunkte der kritischen Anmerkungen sind wie bei den vorhergehenden Zahlen die Bewertung der Immobilien. So wird seitens der Notenbanken argumentiert, dass die meisten Daten von 2010 stammten, als der Immobilienmarkt etwa in Spanien noch hohe Preise hatte, in Deutschland sei die Situation dagegen völlig anders gewesen. Inwiefern spielt diese Argumentation auch bei der Eigenbewertung zyprischer Haushaltsvermögen eine Rolle?

Auch auf die Größe der Haushalte komme es an, heißt es weiter. In Deutschland würden pro Haushalt etwa 2 Personen veranschlagt, In Zypern dagegen knapp 3, was auf mehr Verdiener hindeuten kann. So bietet man laut FAZ eine bereinigte Statistik an:

"Nehme man nur die Umfrageergebnisse der Hauseigentümer - in Deutschland sind das etwa 40 Prozent der Haushalte - und verwende zudem Immobilienpreise von 2002 statt 2010, ergebe sich ein anderes Bild. Dann liege Deutschland über dem Durchschnitt und Zypern entspreche mit dem Medianvermögen dem Durchschnitt."

"Reichtum im Zuge des Finanzbooms"

Es bleibt vieles im Unklaren. Auch, welchen Anteil der Immobilienbesitz für die zyprischen Vermögensangaben hat. Zwar wird auch für Zypern ins Feld geführt, dass Immobilienbesitzer gerne übertreiben - aber zugleich wird die Bedeutung des Immobilienbesitzes für die Höhe des Vermögens auch relativiert.

So wird die EZB-Studie von der SZ mit der etwas rätselhaften Aussage zitiert: "Zypern ist eine Art Sonderfall, man kann das nicht unbedingt mit anderen Staaten vergleichen". Darüber hinaus wird auf "sehr viele Privatfirmen" auf der Insel verwiesen, "in denen sich im Zuge des Finanzbooms Reichtum gebildet habe". Der SZ-Bericht argumentiert damit, dass diese EZB-Zahlen eine Freude für zyprischen Behörden sein müssten, weil er beweise, dass es etwas zu holen gebe.

Von der besonderen Situation Zyperns abgesehen dürften in Deutschland Fragen bleiben, die der europäische Vergleich schon bei der letzten Veröffentlichung aufgeworfen hat. Sie haben mit der Schwierigkeit des Erwerbs von Wohnungseigentum in Deutschland zu tun und mit der Lohnpolitik, die beide dazu führen, dass hier weniger Vermögen angespart wird.

Update

Die Zahlen der EZB-Studie taugen nicht zu politischen Schlussfolgerungen - so der Tenor der kritischen Auseinandersetzung mit der Studie. Alles, was man schon der ersten Studienveröffentlichung an Kritik entgegenhalten konnte, gelte auch für diese Umfrageergebnisse, ist beim Wirtschaftsblog von egghat zu lesen, z.B. dass die Vermögen von Haushalten und nicht pro Kopf gemessen wurden, die unterschiedlichen Erfassungszeiträume, das Ausklammern der staatlichen Versorgungssysteme u.a. Zu einem wirklich sinnvollen Ergebnis komme man nicht - außer, dass es falsch ist, daraus politische Schlussfolgerungen zu ziehen. "Weil das alles schon 2014 komplett anders aussehen wird", so egghat.

Die Statistik würde zur Meinungsmache verbogen, kritisiert auch Jens Berger. Die Ergebnisse der EZB-Umfrage seien unzuverlässig und international nicht vergleichbar. Weil sie einmal auf freiwilligen Angaben beruhen, denen mit Skepsis zu begegnen ist, weil Rentenansprüche und Altersvorsorge, die einen wichtigen Vermögensbestandteil darstellen, ignoriert wurden bzw. generell schwer miteinander in Vergleich zu bringen sind - und wegen der Rolle der Immobilienpreise in der Befragung: "Die Daten aus Ländern mit einem sehr hohen Hausbesitzeranteil und unrealistisch hohen 'Marktpreisen' für Immobilien sind daher bei seriöser Betrachtung ohnehin nicht mit den deutschen Daten vergleichbar."