Helden der Solidarität

Der Kanzlerkandidat Steinbrück und eine Leiharbeitsfirma streiten sich über einen Werbespruch mit dem "Wir"-Gefühl

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Wenn Politiker das Wort "Wir" verwenden, ist meist Vorsicht angebracht. Man wird hellhörig, denn sehr oft folgen dem "Wir"-Sätze, die auf das Engerschnallen des Gürtels oder ähnliche Gebote zur Bescheidenheit und dem Zurückschrauben von Ansprüchen hinauslaufen. Wird das "Wir" von der SPD propagiert, so wird man seit der Agenda 2010 besonders hellhörig. Und angesichts des Kanzlerkandidaten Steinbrück, der in der Partei nicht unumstritten ist, und sich nicht gerade durch eine Politik im Namen des "Wir" auszeichnete, dürfte das Wahlkampfmotto "Das Wir entscheidet" innerhalb der SPD auch auf gemischte Reaktionen treffen. Glücklich gewählt ist der Spruch nicht. Die Partei und ihr Kandidat haben sich in den letzten Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung nicht als Helden der Solidarität hervorgetan. Das hehre "Wir"-Motto lädt geradezu zu bissigen Kommentaren ein.

Dazu kommt ein Gezerre um die Urheberschaft des Wahlkampfmottos, das die hohen Aspirationen des Slogans auf ein Niveau zurückholt, das dem Wähler die Austauschbarkeit und Leere solcher Werbephrasen vor Augen führt. Zunächst hatte die Leiharbeitsfirma gar nichts gegen die Verwendung ihres Slogans einzuwenden. Man werde keine rechtlichen Schritte unternehmen, hieß es noch am Mittwoch. Der Chef der Leiharbeitsfirma wurde von der taz mit der launigen Bemerkung wiedergegeben, wonach der "gemeinsame Slogan" von SPD und seines Unternehmens aufzeigen könne, "dass Leiharbeit nicht so schlecht sei". Auch der an der Ausarbeitung des SPD-Mottos beteiligte Agenturchef hielt die Aufregung über den Wahlkampfslogan in einem Interview mit der Zeitung für einen "gelungenen Coup", weil er für große Aufmerksamkeit in den Medien sorgte.

Der Werbeprofi vertrat der Auffassung, die daraus folgende Diskussion über die Position der SPD zur Leiharbeit sei eine "gute Werbung für die Inhalte der Partei". Das wäre sie nur aber dann, wenn die Partei deutlich machen könnte, dass sie nun eine andere Position zur Leiharbeit hätte als jene, die mit der Niedriglohnpolitik verknüpft wird, welche die SPD unter Schröder als Ziel ausgerufen hatte und viele Wähler kostete. Dazu kommt, dass der Wahlkampf für den Kandidaten bisher so schlecht lief, dass sich im Grunde nur Peinlichkeiten und Fettnäpchen auftürmen, deren letztes der von einer Leihfirma geliehene Slogan ist.

Der Leiharbeitsfirma Propartner, auf deren Homepage der Spruch mit dem großgeschriebenen WIR prangt, verspricht sich nun von der Gemeinsamkeit mit der SPD kein gutes Wir-Gefühl mehr. "Angesichts der ablehnenden Haltung von Peer Steinbrück zum Thema Zeitarbeit ist es für uns eher benachteiligend, mit der SPD in Verbindung gebracht zu werden", teilte der Prokurist von Propartner, Christophe Cren, gestern mit. Man lasse nun doch die Rechtmäßigkeit der Übernahme des Slogans durch die SPD prüfen.

Der Kanzlerkandidat Steinbrück gab sich demgegenüber bei einem Fernsehauftritt unbeeindruckt. Er sehe keine rechtlichen Probleme. Der Slogan sei rechtlich nicht geschützt, sagte er. Angesprochen auf mögliche Recherchedefizite seiner Wahlkkampfagentur konterte er mit einem weiteren Spruch: "Hätte, hätte – Fahrradkette." Der wird nun als Witz überall zitiert und dürfte die Regierungsparteien lächeln lassen. Denn angesichts der Fortsetzung einer unglücklichen Wahlkampagne gegen eine Kanzlerin, deren Politik durchaus Möglichkeiten zu einem erfolgreichen Wahlkampf liefert, ist es nicht ausgeschlossen, dass der Spruch auf Steinbrück selbst zurückfällt.