Hitchcock mit Product Placement

ProSieben zeigt Mission Impossible 2

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Vor fast 10 Jahren drehte John Woo ein Sequel von Mission: Impossible, das heute Abend um 20 Uhr 15 auf ProSieben läuft. Gäbe es Patente auf Filmplots, dann wäre Mission: Impossible 2 vielleicht gar nicht entstanden. Der Grundkonflikt des Films ist nämlich exakt jener aus Alfred Hitchcocks Notorious (deutscher Titel: Berüchtigt): Guter Agent (M:I-2: Tom Cruise / Notorious: Cary Grant) wird auf perfekten Lockvogel aus zweifelhaftem Umfeld (M:I-2: Thandie Newton als Diebin / Notorious: Ingrid Bergmann als Nazitochter) angesetzt und beginnt eine Affäre sexueller Natur mit ihr. Von seinen Vorgesetzten erfährt er, daß der Lockvogel wiederum deshalb als solcher geeignet ist, weil der Schurke ein starkes sexuelles Interesse an ihm hat. Um dem Schurken das böse Geheimnis zu entlocken und das Handwerk zu legen sind also vonseiten der Organisation sexuelle Kontakte des Lockvogels mit dem Schurken vorgesehen, was beim Agentenhelden wie beim Lockvogel ein moralisches Dilemma auslöst.

M:I-2 setzt diesen Grundkonflikt auch auf einer symbolischen Ebene geschickt um: Der Lockvogel muss sich selbst eine Injektion mit dem bösen Virus setzen, weshalb Tom Cruise den Rest des Films das Serum dazu sucht und ihr am Schluß des Films die Gegeninjektion verpassen darf. Sogar den Ort des konspirativen Treffens zwischen Agentenheld und Lockvogel, die Pferderennbahn, übernimmt John Woo von Hitchcock. Diese Übernahme schadet den Film aber keineswegs, der Plot hebt sich qualitativ wohltuend sowohl von Brian de Palmas erstem Mission-Impossible-Film als auch von vielen in den USA gefertigten John-Woo-Filmen ab. Das gilt auch für die Choreographie des unterschätzten Films, der fast so sehr ein Musical ist wie Woos Meisterwerk The Killer: Schnitte und Klang sind präzise ineinandergefügt, fliegende Körper, Pistolen, die wie Trommelschlegel geführt werden, und sogar die 1989 eingesetzten Tauben als Startsignal von Tanz- respektive Kampfnummern tauchen wie Selbstzitate auf.

Präzision ist nicht nur formal, sondern auch inhaltlich omnipräsent. Tom Cruise muß Aufgaben lösen, wie John Woo Filme dreht. Sekundengenaue Zeitangaben und jeder Handgriff sitzt. Als Tom Cruise dann bei der Vernichtung des letzten Virus ein paar Sekunden zögert und sinniert, erscheinen diese Sekunden, in denen nichts passiert, wie ein Fremdkörper - wie versehentlich hineingeschnittenes Material aus einem Wim-Wenders-Film. Und prompt geben diese wenigen Sekunden natürlich auch den Schurken Gelegenheit zur Wendung des Geschehens.

Nicht nur mit der sich drehenden subjektiven Kamera und der gitarrenlastig arrangierten Titelmelodie (die fast alle Kampfszenen begleitet) bediente sich Woo in dem zum Zeitpunkt seines Erscheinens von der Kritik eher geschmähten Film als einer der Ersten Elementen aus den klassischen 3-D-Shootern und Auftragsspielen wie Jagged Alliance: Auch das Aussuchen des Teams und die Positionsangaben der Teammitglieder waren für damalige Kinobesucher ungewohnte Anleihen aus der Spielewelt. Das Powerbook G3 Wallstreet, auf dem das geschieht, ist nur eines der Beispiele für den recht verschwenderischen Einsatz von Product Placement in M:I-2: Bei Bulgari-Schmuck, Versace-Jacken, Audi-PKWs und ungezählten anderen im Film benutzten Gegenständen wird dem Zuschauer der Markenname ebenfalls geradezu unter die Nase gerieben.