Kunst gegen Profit

In Chinas Hauptstadt vertreiben Bauherren Künstler mit brutalen Methoden aus ihren Ateliers

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Beijings (Pekings) Künstler haben ein Problem: Sie sind Immobilienhaien im Wege, die Malls, Wohnhäuser und Garagen bauen wollen, wo sie in ihren Ateliers malen, hämmern und schweißen. Und da mit Immobilien viel Geld zu machen ist, werden sie mit rabiaten Methoden aus dem Weg geräumt. Im heutigen China ein alltäglicher Vorgang, aber letztlich eine universelle Geschichte: Selbst in der verträumten schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel flogen auch die Möbel so manchen legalen Mieters auf die Straße, als SPD und CDU die Polizei mit den Hausbesetzern aufräumen ließ.

Eine dieser Aktionen wurde gar von einem angetrunkenen CDU-Bürgermeister beaufsichtigt. Aber im Vergleich zu dem, was sein Parteifreund und Innensenator Heinrich Lummer sich leistete, war das noch harmlos. Der hielt in einem frisch geräumten Haus 1981 eine Siegespressekonferenz ab, während vor der Tür die Polizei Demonstranten auseinander prügelte. In diesem Zusammenhang wurde der 18jährige Klaus Jürgen Rattay von einem Bus überfahren und tödlich verletzt.

Ganz so schlimm ist es in den letzten Wochen in Chinas Hauptstadt nicht zugegangen, aber viel hat nicht gefehlt. Statt von der Polizei werden die Künstler von privaten Schlägerbanden drangsaliert, die sie im Auftrag der Bauherren verprügeln und offensichtlich ziemlich straffrei agieren können. Die taz berichtet in ihrer Mittwochsausgabe von einem Protestzug, den etwa 40 Künstlerfamilien am Montag in der Nähe des Tian-Anmen-Platzes im Zentrum Beijings organisiert hatten. Die Demonstration wurde zwar von der Polizei aufgelöst, jedoch ohne dass es zu weiteren Repressalien gekommen zu sein scheint.

Das wäre allerdings auch eine Zuspitzung des Skandals gewesen, denn die Künstler demonstrierten gegen einen nächtlichen Überfall, der am Wochenende auf ihre Kolonie Zhengyang stattgefunden hatte. Während Männer die Bewohner in ihren Häusern überfielen und mit Stöcken zum Teil krankenhausreif prügelten, drückten Bulldozer Gebäude ein, ohne sich darum zu kümmern,ob noch Menschen oder Kunstwerke drin waren.

Der britische Guardian schreibt, dass der Vorfall nur einer von vielen in den letzten Monaten gewesen sei. Die Künstler würden auf gültige Mietverträge verweisen,die zum Teil noch über 30 Jahre gingen, und hätten viel in die Atelliers investiert. Nun sollten sie sie auf einmal innerhalb weniger Monate aufgeben.

Die Zhengyang-Künstler beschreiben die Auseinandersetzung in ihrem Blog. Der Einfachheit halber sei hier ausführlich zitiert.

In these days, Zhengyang Creative Art Zone, the first step of “Warm Winter” programme, has been the media focus because of the tragic conditions caused by the forcible demolition of the artists’ houses. From 2007 till now, more or less 50 Chinese and foreign artists worked here with 5 years’ leasing contracts.

On November 26, 2009, the developer suddenly ordered all artists to “move out of the place” before December 4, 2009 without any corresponding compensation. On November 28, the demolition squad began to pull down houses by force; On December 4, the property personnels left the place and the developer took away 310,000 RMB pre-paid by artists; On the morning of December 5, the electricity and the healing was off at a temperature of -9 °C; On December 13, the water supply had been completely suspended and on December 19, the generators just rented by artists had been took over by the person hired by the developer which was the rising tide of clashes between the two sides.……

Such violent conflicts last for more than one month and the homeless artists still stay in ruins. As we know, there are almost 42 families with 120 people including the olds over 60 and the childen under 2-3 years’ old, all shivered in Zhengyang Creative Art Zone.

Nachtrag

: Ein Leser weist auf einen lesenswerten Beitrag in der Global Times, dem englisch-sprachigen Ableger des KP-Zentralorgans Renmin Ribao, hin. Demnach haben 20 Künstler demonstriert. Die Künstler hätten einige der Schläger festhalten und der Polizei übergeben können. Behördenvertreter hätten Unterstützung zugesagt, unter anderem Wachleute, bis die Künstler sich mit den Besitzern geeinigt haben. Insgesamt seien in dem Stadtteil mittelfristig mehrere Tausend Künstler in verschiedenen Projekten betroffen.