Lange wird die Regierung nicht mehr halten

Mit Wulff als neuem Bundespräsidenten haben sich die Menschen nach dem Deutschlandtrend abgefunden, die Regierung und vor allem die FDP hat durch die Wahl weiter an Zustimmung verloren

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Nach dem dritten Anlauf hat es Merkels Kandidat Christian Wulff erst geschafft, dafür aber ist er auch noch mit absoluter Mehrheit zum neuen Bundespräsidenten gewählt worden. Der biedere Wulff mit dem ewig bubihaft jungen und unschuldig wirkenden Gesicht war vor der Wahl umstritten. Gegen den seit seiner Jugend in der Partei groß gewordenen Wulff wurde von SPD und Grünen in einem taktischen Kalkül der konservative Theologe Joachim Gauck entgegen gestellt, der einige Sympathie in der Bevölkerung gewann, weil er manche persönlich als Autorität und als jemand überzeugte, der nicht aus der Kaste der Parteipolitik kam. Über die politischen Ansichten wurde wenig diskutiert, auch nicht von SPD und Grünen. Das überließ man lieber der Linken.

Nach dem neuen ARD-Deutschlandtrend hat die Bundeskanzlerin zwar durch die Entscheidung für Wulff und den knappen Wahlausgang, der wiederum die Uneinigkeit in der Regierungskoalition offenbarte, an Popularität eingebüßt, irgendwie scheint die Mehrheit aber nun den CDU-Politiker als den bislang jüngsten Bundespräsidenten zu akzeptieren. 72 Prozent geben ihm zumindest eine Chance und sagen, er werde ein guter Bundespräsident, was immer sie damit auch meinen. 58 Prozent finden, es sei doch der Richtige gewählt worden, während nur 35 Prozent sagen, dass Gauck der Richtige gewesen wären. Dahinter steckt sicherlich nicht nur Überzeugung, sondern eine Anpassungsleistung an das vorerst Unvermeidliche.

Am besten kommt an, dass er so brav und adrett wirkt, als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun. Gegenüber Gauck hat er den Vorteil, jünger zu sein. Die meisten Punkte erhält er, weil er sympathisch (82%) sei und Deutschland in der Welt gut vertreten könne (80%). Glaubwürdigkeit attestieren ihm auch noch 74 Prozent, dünner wird es dann schon, wenn es darum geht, ob er die richtigen Themen anspricht, politische Weitsicht hat und über den Parteien steht. Da haben doch viele wohl die richtige Einschätzung, dass der Parteikarrierist politisch bislang nicht durch Visionen oder kluge Gedanken aufgefallen ist.

Da die Parteien für die Wahl des Präsidenten verantwortlich sind, das Volk aber ausgeschlossen ist und nun anstatt eines Volksvertreters wieder einen Parteisoldaten erhält, ist die Demokratiezufriedenheit erwartungsgemäß gleich um 13 Prozent eingebrochen. 51 Prozent sind nun "mit der Art und Weise, wie die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert, alles in allem" unzufrieden. Das sollte die Parteipolitiker doch aufhorchen lassen, wird es aber nicht. Die Unzufriedenheit mit der demokratischen Praxis in Deutschland verändert aber bislang noch nichts daran, dass 89 Prozent weiterhin die Demokratie für eine gute Regierungsform halten.

Aber Merkel und der Koalition hat die Bundespräsidentenwahl noch einmal geschadet. Schon fast zwei Drittel (62%) gehen davon aus, dass die Koalition nicht mehr lange halten wird. 77 Prozent meinen, Merkel könne die Koalition nicht mehr zusammenhalten, nur 31 Prozent glauben, dass der Regierung nun ein Neustart gelingen wird. Das ist nach nicht einmal einem Jahr Regierungszeit der Wunschkoalition für diese ein ziemlich ernüchterndes Ergebnis.

Besonders der FDP wird abgesehen von ihrer nun wieder sehr schmal gewordenen Wählerklientel keine Kompetenz zugestanden. Bei Haushalts- und Finanzpolitik, Sicherung der Arbeitsplätze oder der Energieversorgung trauen ihr mit 3 Prozent nicht einmal alle noch verbliebenen FDP-Wähler viel zu. Ebenso steht es bei der Bildungs- und Umweltpolitik und bei der Frage der sozialen Gerechtigkeit. Gerade einmal 1 Prozent sind der Meinung, die Liberalen seien in der Lage, die wichtigen Probleme zu lösen. Nur bei den Dauerthemen Steuer- und Gesundheitspolitik gestehen der FDP 7 bzw. 6 Prozent Kompetenz zu.

Auch der Linken werden kaum Kompetenzen zugeschrieben, die Grünen können nur bei Energie und Umwelt richtig punkten. Ansonsten hält sich die Mehrheit der Deutschen weiterhin bei den "Volksparteien", wobei die Union weiterhin bei vielen Themen die Nase ein wenig vorne hat.

Die Sonntagsfrage macht deutlich, dass sich die politische Stimmung konsolidiert hat, was auch heißt, die Regierung hat mit jetzt 38 Prozent alles andere als eine Mehrheit hinter sich. Die Union erzielt 33 Prozent, die FDP ist mit 5 Prozent zu einem Wackelkandidat geworden, von dem man nicht weiß, ob er bei der nächsten Wahl noch mit dabei sein wird. Die SPD liegt bei 30, die Grünen erzielen jetzt 17 und die Linken 10 Prozent. Allerdings hat die Bundespräsidentenwahl auch gezeigt, dass Rot-Rot-Grün keine große Perspektive hat.