Mit Illusionen gegen Steuerakrobaten?

Paul Kirchhof stellt sein aufgefrischtes Steuerkonzept vor

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Gibt es ein Comeback für Kirchhof? Der 2005 so glücklos im Wahhlkampfteam Merkels agierende "Professor aus Heidelberg" (Ex-Kanzler Gerhard Schröder) ist wieder in den Medien. Er hat sein Steuerkonzept überarbeitet - im Rahmen eines von ihm initiierten Forschungsprojekts mit Steuer- und Finanzexperten aus sechs Bundesländern. Das Ergebnis, ein auf 146 Paragrafen verschlanktes "Bundessteuergesetzbuch", neue-debatte-ueber-einfacheres-steuerrecht/60070642.html: stellt Kirchhof derzeit der interessierten Öffentlichkeit vor. Konservative Medien jubeln über die Rückkehr des "radikalen Steuerreformers".

Der neue Entwurf ist umfangreicher als der, mit dem Kirchhof 2005 als möglicher Bundesfinanzminister im Gespräch war ("Bierdeckel"). Das Grundgerüst ist gleich geblieben. Die Reform ist nach Ansicht seines Verfassers "aufkommensneutral": Der Staat würde nach der Reform die gleiche Summe bekommen, da Schlupflöcher wegfallen, so Kirchhofs Kalkül, dem er treu geblieben ist.

"Ich behaupte aber, dass viele Großverdiener schon wegen der über 500 Ausnahmetatbestände im Steuerrecht schon heute keine 25 Prozent Steuern zahlen."

Die Gesamtlast würde durch den einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent, der ab einem jährlichen Einkommen von 20.000 Euro erhoben wird, gerechter verteilt. Weil den alle bezahlen müssen, so Kirchhof. Die bisherige Trennung zwischen Arbeitseinkommen, Unternehmensgewinnen und leistungslosem Einkommen (Kapitalerträge) entfällt. Sein Credo:

"Das Problem ist doch, dass wir die Einkünfte nicht vollständig erfassen. Wenn sich jemand arm rechnen darf, bringen auch 50 Prozent Steuersatz nichts - 50 Prozent von Null macht auch nur Null. So sind wir zu einem Volk von Steuerakrobaten geworden - statt dass jeder nach dem Einkommen besteuert wird, das er tatsächlich erzielt."

Das Zitat stammt vom Sommer letzten Jahres. Im Juli letzten Jahres warb er damit auch vor den Sozialdemokraten und die sich, anders als beim letzten Schröder-Wahlkampf, sehr viel weniger kritisch äußerten, sich "nachdenklich" zeigten und applaudierten.

Welchen politischen Rückhalt Kirchhof für sein Steuerkonzept jetzt bekommt, ist die Frage. Aus der CDU kommt erste neue-debatte-ueber-einfacheres-steuerrecht/60070642.html?mode=print: Zustimmung. Kritiker der flat tax-Idee verweisen darauf, dass sich, wie Steuermodelle beispielsweise von Ronald Reagan in den 1980er Jahren gezeigt hätten, immer neue Wege finden lassen, um Einkommen oder Gewinn vor dem Gesetz kleiner zu rechnen und neue Schlupflöcher zu finden - auf Kosten der geringverdienenden Steuerpflichtigen mit verhältnismäßig hohen Abzügen. Die Kirchhofsche Gerechtigkeitsformel sei eine Illusion, sie funktioniere nur auf dem Papier. Es liege ganz einfach am politischen Willen der Gesetzgeber Schlupflöcher zu streichen, möglich wäre das jetzt schon. Der Zeitpunkt der Vorstellung des neuen Entwurfes des "Bundessteuergesetzbuchs" ist gut getroffen, er fällt in die Debatte über die Steuererleichterung, von der sich die FDP neue Popularität erwartet. Man darf gespannt sein, ob und wie die Parteien auf Kirchhofs Ideen reagieren.