Mob verwüstet in Lahore ein Wohnviertel der Christen

Anlass für den Ausbruch der Gewalt war ein Blasphemievorwurf, der angeblich noch nicht einmal zutreffend gewesen sein soll

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Pakistan ist ein Pulverfass. Mit einer instabilen und korrupten Regierung, einer großen Armut, gewalttätigen Spannungen zwischen den verschiedenen religiösen und ethnischen Gruppen und einer schnell ausbrechenden schwelenden Wut ( "Pakistan hat das Potential dazu, einer der gefährlichsten Staaten der Welt zu werden"). In dem Land, in dem das Militär über Atombomben wacht, gedeihen die Taliban und andere terroristische Gruppen mit ihrer islamistischen repressiven Ideologie und kommt es immer wieder zu schrecklichen Anschlägen etwa von Sunniten auf Schiiten. Am Samstag wurden durch einen -4-martyred,-dozens-injured: Anschlag auf eine Moschee in Peshawar wieder 4 Personen, inklusive des Imams, getötet und 28 verletzt.

Jetzt flohen in der Hauptstadt von Punjab, Lahore, Christen aus ihrem Wohnviertel, nachdem eine aufgehetzte Meute von Muslimen Häuser angezündet hat. Der Auslöser ist bezeichnend für die lauernde explosive Gewalt. Ein junger christlicher Mann wurde von einem jungen Muslim am Freitag beschuldigt, Blasphemie gegen den Propheten Mohammed begangen zu haben, wozu es in Pakistan nicht viel braucht und was gerne als Vorwand genommen wird, um andere Menschen anzugreifen und zu töten ( Blasphemiegesetz mit Missbrauchspotenzial). Wer der Blasphemie beschuldigt wird, kann sogar, der Islam ist Staatsreligion, mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe oder dem Tod bedroht werden. 97 Prozent der 190 Millionen Einwohner des Landes sind islamisch, die große Mehrheit ist sunnitisch, allerdings gibt es zahlreiche Strömungen. Der Anteil der Christen liegt bei weniger als 2 Prozent, viele leben in Lahore.

Freitagnacht kehrte der Muslim mit Tausenden von aufgebrachten Menschen von einer Moschee in das Stadtviertel zurück, das offenbar von Christen aus der Unter- und Mittelschicht bewohnt wird. Da der Mann in seinem Haus bedroht wurde, nahm die Polizei ihn zu seinem Schutz fest. Obwohl sich angeblich herausstellte, dass die Beschuldigung falsch gewesen war, sagte ein Polizist der pakistanischen Zeitung Dawn, man habe ihn deswegen festnehmen müssen und der Blasphemie beschuldigen müssen, um den Mob zu befrieden, gegen den man sich offensichtlich nicht vorzugehen traute.

Das aber hat auch nicht funktioniert, was die christlichen Nachbarn auch befürchtet haben, von denen schon am Freitag viele aus ihren Häusern geflohen waren. Die Polizei evakuierte schließlich das Viertel, schützte es aber offensichtlich nicht wirklich. Am Samstag kam dann der Mob zurück und konnte zunächst ungehindert in Häuser eindringen und diese in Brand stecken. Mehr als 1oo der zumeist kleinen Häuser, dazu zwei Kirchen und Geschäfte -Alleged-blasphemer-sent-to-jail-on-judicial-remand-: sollen in der Vernichtungsorgie angezündet worden sein, dazu auch Motorräder und andere Gegenstände ( Fotos). Der Justizminister der zuständigen Provinz Punjab erklärte, dass alle an den Brandstiftungen Beteiligten zur Rechenschaft gezogen würden, und er sicherte den Opfern Entschädigung zu, während Präsident Asif Ali Zardari und Regierungschef Raja Pervez Ashra verlangten eine sofortige Untersuchung. Selbst wenn all dies geschehen sollte, an den Ursachen wird es nichts ändern.