Mubarak flieht Kairo

Tag der Massendemonstrationen in ganz Ägypten. Der Tahrirplatz in Kairo ist nicht mehr alleiniger Mittelpunkt. Protestmengen auch vor dem staatlichen Fernsehsender und dem Präsidentenpalast

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Alle sind sie heute auf den Straßen, nicht nur in Kairo, sondern auch in Alexandria, Mansoura, Mahalla, Port Said, Tanta, Suez, Damietta und andren Städten. Ganz Ägypten begeht den "Farewell Friday" bzw. "Defiance Friday". 20 Millionen stark soll die Protestmenge im ganzen Land sein. Eine Schätzung, die niemand bestätigen kann, aber die Botschaft der Massen ist klar, in Wellen wird bekräftigt, was mit dem 25. Januar begonnen hat: Der Wille zur Veränderung; die Demonstranten haben die Angst vor dem Polizeistaat hinter sich gelassen; neue, progressive Kräfte - siehe dazu die ausgezeichnete Analyse von Paul Amar - sind auf Siegeskurs.

"The progressive groups have a linked network of enterprises, factories, identities and passions. They would go to any length to prevent the reemergence of police brutality and moral hypocrisy that have ruled them for the past generation. The women and youth behind theses micro-businesses, and the workers in the new Russian, Chinese, Brazilian, Gulf and Egyptian-financed factories seem to be united. And they grow more so each day." Paul Amar

Wie die nächstfolgende Gegenwehr auf die massive Demonstration derjenigen, die genug haben vom alten Regime, seitens Vizepräsident Suleiman und seinen Verbündeten aussehen wird, ist ungewiss. Es sieht ganz so aus, als ob der neue Machthaber den heutigen Tag aussitzen wird. Für ihn wird es in den kommenden Tagen noch schwieriger, wenn nicht unmöglich, Oppositionsgruppen zu finden, mit denen er die gewohnte paternalistische Politik machen könnte.

Die Stimmen, die dafür plädieren, dass die jungen Organisatoren der Protestbewegung bei der Gestaltung des neuen Ägyptens eine wesentliche Rolle spielen sollen, artikulieren sich deutlicher (siehe Wer übernimmt die Macht in Kairo?. Hindernis dafür ist Suleiman, der als Politiker kein großes Geschick gezeigt hat, die Getreuen Mubaraks und ihr Festhalten am Präsidenten. Mubarak wie Suleiman haben mit ihren gestrigen Reden vorgeführt, dass der Hinweis auf die Verfassung nur ein vorgeschobenes Argument ist, das vor allem sie selbst legitimiert. Die Reden zeigten in auffälligem Maße, wie wenig sie davon verstehen wollen, was in ihrem Land los ist.

Wie mehrfach gemeldet wird, hat Mubarak heute samt Familie Kairo verlassen. Indessen wird gemeldet, dass die Armee der Protestmenge vor dem Präsidentenpalast Süßigkeiten zuwirft.