Noch immer droht eine Kernschmelze in japanischem AKW

Röttgen versichert, Deutschland sei wegen der Entfernung sicher, AKW-Gegner sehen auch deutsche Anlagen gefährdet

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Schritt für Schritt wird die Umgebung um das Atomkraftwerk Fukushima I evakuiert. Zwar hatte sich das AKW wie 10 weitere der insgesamt 16 automatisch abgeschaltet, aber damit ist die Gefahr längst nicht gebannt. In der Anlage ist die Radioaktivität bereits sehr hoch, ausgeschlossen werden kann auch nicht mehr, dass sie bereits ausgetreten ist. Offenbar hat es nicht geklappt, aus dem Reaktor Druck zu entlassen, weil das Ventil blockiert ist.

Erst einmal legte man eine Sicherheitszone mit einem Radius von 3 Kilometern um das AKW, in dem nach dem Stromausfall und dem Ausfall der Kühlsysteme in 3 der 6 Reaktoren in Folge des Erdbebens und des darauf folgenden Tsunamis eine Kernschmelze droht. Das Erdbeben hatte die Stromversorgung unterbrochen, der Tsunami zerstörte die Notversorgung mit Dieselgeneratoren. Nachdem man aber die Technik nicht in den Griff bekommen hat, wurde der Radius schon einmal auf 10 km erweitert, was nicht nur die Angst der Menschen in Japan vor einer möglichen Katastrophe erhöht, sondern auch wieder einmal deutlich macht, dass Atomkraftwerke eine gefährliche Großtechnik sein können.

Für die Atomkraftgegner, die heute in Baden-Württemberg eine 40 km lange Menschenkette zwischen dem AKW Neckarwestheim und der Landeshauptstadt Stuttgart bilden wollen, kommt die potenzielle Katastrophe natürlich zur rechten Zeit, um das Anliegen zu verstärken. Der schwarz-gelben Regierung, die die Laufzeitverlängerung durchgesetzt hat, kann das ausgerechnet bei den nahen Wahlen im Ländle gar nicht passen. So erklärte denn auch das Bundesumweltministerium schnell, dass die deutschen Atomkraftwerke "gegen die bei uns zu erwartenden Erbeben" gesichert seien: "Die Anlagen werden bei Überschreiten bestimmter sicherheitsrelevanter Grenzwerte automatisch abgeschaltet", so ein Sprecher in Berlin. Angesichts der Ereignisse in Japan ist das aber gerade keine Entwarnung. Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation ausgestrahlt, kann daher in die Vollen greifen und kritisiert:

"Das Bundesumweltministerium betreibt eine unerträgliche Desinformationspolitik. Auch die japanische Regierung hatte behauptet, ihre AKW seien erdbebensicher. Was wir in diesen dramatischen Stunden erleben, ist ja gerade, dass selbst eine automatische Abschaltung nicht vor einer Kernschmelze schützt. … Gleiches kann in deutschen Atomkraftwerken passieren."

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat gerade ein Gutachten vorgelegt, nach dem die Sicherheitsmängel in den alten AKWs Neckarwestheim 1 und Philippsburg 1 so groß seien, dass sie abgeschaltet werden müssten.

Bundesumweltminister Röttgen macht eine unglückliche Figur und erklärt, wir in Deutschland seien trotz der "außergewöhnlichen Gefahrenlage" immerhin sicher, wenn in Japan eine Kernschmelze geschehen würde, weil wir zu weit entfernt und die Winde günstig sind. Von den deutschen AKWs wollte er lieber nicht sprechen. Atomkraftgegner führen an, dass insbesondere das AKW Neckarwestheim bei Stuttgart "besonders" durch Erdbeben gefährdet sei. "Es steht auf äußerst brüchigem Grund: Kalkgestein, in dem das Grundwasser jedes Jahr bis zu 1000 Kubikmeter neue Hohlräume auswäscht - nachgewiesenermaßen auch unter dem AKW. Dessen ungeachtet ging die Landesregierung bei der Genehmigung beider Reaktoren in Neckarwestheim davon aus, dass der Untergrund als "Fels" einzustufen sei - die härteste Kategorie überhaupt."