Ost-West-Kluft beim Klonen und der Genveränderung

Wenn es um Klonen, embryonalen Stammzellen oder gentechnische Manipulationen geht, gibt es eine Kluft zwischen Osten und Westen

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Wenn es um Klonen, embryonalen Stammzellen oder gentechnische Manipulationen geht, gibt es eine Kluft zwischen Osten und Westen bzw. zwischen den östlichen und westlichen Kulturen und Religionen. Auch wenn die Techniken vorwiegend in Europa und in den USA entwickelt wurden, findet man hier auch die stärksten moralischen Kritiker, die den Wissenschaftlern vorwerfen, etwa beim Klonen Gott ins Handwerk zu pfuschen oder Gott spielen zu wollen, was negativ besetzt ist. Allerdings entstand die moderne Wissenschaft in der Renaissance eben aus dem Bild des Menschen als "secundus deus", der zumindest die Schöpfung nachahmt, aber auch Neues erschaffen kann.

In Asien haben die Menschen mit dem Klonen und der Gentechnik keine moralischen oder religiösen Probleme. Als der Südkoreaner Hwang Woo Suk berichtete, er habe menschliche embryonale Stammzellen geklont, wurde er später zwar des Betrugs bezichtigt, aber es gab keine Diskussion über einen etwaigen Tabubruch durch das Klonen, wenn es ihm gelugen wäre.

Der Molekualbiologe Lee M. Silver von der Princeton University hat Weltkarten zur Biotechnologie angelegt, um zu zeigen, wer wo vor was Angst hat. In Südostasien gibt es danach praktisch keinen Widerstand gegen das Klonen von menschlichen Embryos zur Stammzellenforschung oder gegen genverändernde Organismen. In Europa hingegen ist es schwer, genverändernde Pflanzen in der Landwirtschaft einzuführen, das Klonen von menschlichen Embryos ist nur in Großbritannien und wenigen anderen Ländern erlaubt, in vielen Ländern aber wie Deutschland oder Frankreich ausdrücklich verboten. In Süd- und Nordamerika werden genveränderte Pflanzen bereits in großem Stil angebaut, aber man tut sich mit dem Klonen zur Stammzellenforschung schwer, das etwa in Brasilien, Mexiko oder Kanada verboten ist und in den USA nicht mit öffentlichen Geldern gefördert werden darf.

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Grün=legal, rot=illegal; gelb=ambivalent. Bild: Lee Silver

Die Unterschiede haben, so Silver, mit der Religion zu tun. Hinduisten oder Buddhisten kennen keinen alleinherrschenden Gott, zudem gibt es keinen göttlichen Heilsplan für das gesamte Universum. Verantwortlich für das Weiterleben oder das Wiedergeborenwerden ist der einzelne Mensch. Das würde Klonen und Genveränderung erlauben, während für die Menschen aus dem jüdisch-christlichen Monotheismus Gott der Schöpfer und Herr der menschlichen Seelen ist. Er hat dem Menschen nach dieser Ansicht zwar Herrschaft über das Leben der Pflanzen und Tiere gegeben, aber da viele das menschliche Leben bereits mit der Befruchtung oder mit den ersten Zellen eines Embryos beginnen sehen, ist das Klonen oder das Töten von Embryonen zu Forschungszwecken verpönt. Den Islam hat Silver allerdings außen vor gelassen. Muslime wie Juden gehen jedoch davon aus, dass menschliche Embryos erst ab dem 40. Tag beseelt sind, was zumindest keine strikten Verbote für die Forschung mit embryonalen Stammzellen traditioneller und fundamentalistischer Christen begünstigt.

Traditionelle oder die neuen fundamentalistischen evangelikalen Christen haben hingegen keine Probleme mit geklonten Tieren oder genveränderten Pflanzen. Postchristliche Kulturen, die es vor allem in Europa gebe, oder auch Linke bzw. die New-Age-Kultur hätten hingegen vielfach Gott durch die "Mutter Natur" als eine postchristliche Göttin ersetzt. Es handle sich hier nicht um eine konsistente Weltanschauung, sie könne auch unterschiedlich ausgeprägt sein: "Aber tief unten gibt es", so Silver", die Ansicht, dass die Menschen nicht mit der natürlichen Welt spielen sollten." Daraus würde sich der Widerstand gegen genveränderte Pflanzen speisen, während man oft weniger Schwierigkeiten mit der Forschung an Embryonen habe. Dabei gebe es aber seltsame Koalitionen etwa zwischen konservativen Intellektuellen wie Francis Fukuyama, Umweltschützern wie Jeremy Rifkin oder Grünen wie Volker Beck, die gegen das Klonen von menschlichen Embryonen zur Stammzellenforschung auftreten. (fr)