Pläne zum Atomausstieg bleiben selbst hinter Forderungen des BDEW zurück

Die Kanzlerin spielt auf Zeit und hofft, die Kernkraftgegner zu spalten

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In der Nacht zum Montag hat sich die Bundesregierung auf einen Weg zum Atomausstieg geeinigt und bleibt mit ihren Vorstellungen selbst hinter den Forderungen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft ( BDEW) zurück, in dem unter anderem die Betreiber der deutschen Kernkraftwerke organisiert sind.

Dieser hatte sich für einen Atomausstieg bis 2020 eingesetzt. Schwarz-Gelb will nun bis 2022 aus der Kernenergie aussteigen, wie aus dem Beschluss der Regierungsspitze hervorgeht. Die Ethikkommission hatte einen Ausstieg bis 2021 empfohlen.

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Klaus Töpfer (Vorsitzender Ethikkommission), Angela Merkel, Matthias Kleiner (stellv. Vorsitzender Ethikkommission) . Foto: Silvio Duwe

Eines der sieben ältesten Kernkraftwerke bleibt im Standby-Betrieb

Nach dem Willen der Bundesregierung sollen die sieben ältesten Kernkraftwerke, die während des Moratoriums abgeschaltet waren, nicht wieder ans Netz gehen. Auch der Pannenreaktor Krümmel soll endgültig stillgelegt werden. Um Stromengpässe insbesondere in den kommenden beiden Wintern zu vermeiden, wird allerdings eines der sieben ältesten Kernkraftwerke im Standby-Betrieb gehalten.

Laut der Regierung ist dies notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Im Beschluss wird ausdrücklich betont, dass dies nur für eine Übergangszeit bis 2013 der Fall sein soll. Welches Kraftwerk in den Standby-Betrieb geschickt werden soll, steht noch nicht fest. Diese Entscheidung will die Regierung der Bundesnetzagentur überlassen.

Zögerlicher Umbau

Weitere sechs Kernkraftwerke dürfen nach dem Willen der Regierung noch bis 2021 weiter betrieben werden. Zehn Jahre könnten nach dem Willen von Union und FDP also noch vergehen, ohne dass ein weiteres Atomkraftwerk vom Netz geht. Die drei jüngsten Anlagen dürfen sogar noch bis 2022 Strom erzeugen. An der Brennelementesteuer soll festgehalten werden. Auch wenn in der Koalition nun von einem schrittweisen Ausstieg die Rede ist, so fällt doch auf, dass die Schritte sehr lang gewählt wurden.

Geht man davon aus, dass Atomkraftwerke durch ihre unzureichende Möglichkeit, im Lastfolgebetrieb zu arbeiten, die Einspeisung von Erneuerbaren Energien eher behindern als fördern, so kommt der Eindruck auf, dass der Umbau der Energieversorgung möglichst lange hinausgezögert werden soll. Dazu passt, dass der Regierungsbeschluss lediglich einen Anteil von 35 Prozent an Erneuerbaren Energien in der Stromversorgung bis 2020 vorsieht und damit trotz Atomausstieg am Ausbauziel des alten Energiekonzeptes festgehalten werden soll. Von den großen Anstrengungen, die nach Fukushima für die Energiewende unternommen werden sollten, bleibt damit nichts mehr übrig.

Gewinner sind die Energiekonzerne

Gewinner des schwarz-gelben Ausstiegsbeschlusses dürften damit einmal mehr die großen Energiekonzerne sein, die trotz hartem Gegenwind von unten den Großteil ihrer Atomkraftwerke nun doch noch lange behalten können. Bis die nächsten Kernkraftwerke vom Netz gehen müssen, vergehen mindestens zwei Bundestagswahlen, in denen der Ausstieg zur Verhandlungsmasse werden kann.

Sollte der Ausbau der Erneuerbaren nicht deutlich schneller voran kommen, als dies die Regierung derzeit plant, so könnte spätestens nach der übernächsten Bundestagswahl aufgrund fehlender Alternativen der Weiterbetrieb der verbliebenen Kernkraftwerke zur Notwendigkeit erklärt werden - da Fukushima dann kein Teil der täglichen Nachrichten mehr sein wird, könnte diese Rechnung sogar aufgehen.

Kein Gewinn für Kernkraftgegner

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass durch den "Schlichtungsspruch" der Ethikkommission, an den sich die Regierung mit ihrem Beschluss nahezu hält, zumindest eine Spaltung und damit eine Verkleinerung der Proteste gegen die Kernkraft erreicht werden konnte. Die Kanzlerin hat es damit geschafft, den gesellschaftlichen Druck auf die Stromkonzerne zu verringern und immerhin die Mehrheit der Anlagen auf absehbare Zeit zu retten.

Dass Angela Merkel nun ankündigt, den "substanziellen" Bericht der Ethikkommission nicht in der Schublade verschwinden zu lassen, ist demnach kein Gewinn für die Kernkraftkritiker.