Planetare Interfaces

Informationsvisualisierung einmal anders

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Während alle Welt von der "Touch-Revolution" spricht, und damit vor allem, wie üblich, Hardware meint, fällt eine der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dieser "Revolution" - wie üblich - unter den Tisch. Wie soll eigentlich all die Information auf all diesen Touchscreens dargestellt werden, damit sie nicht nur berührbar, sondern auch verstehbar und manipulierbar wird?

Genauso wie ein Internet nichts nützen würde, das zwar "alles" beinhält, aber in dem man nichts findet, wäre ein privater Rechner sinnlos, der zwar über eine gigantische Speicherkpazität verfügt, aber nicht über adäquate Werkzeuge zur Durchforstung dieser Kapazität. Dieses Problem, das man analog zu den Problemen papierener Bibliotheken das "Katalogproblem" nennen kann, gehen die Programmierer des Bloom Studios in San Francisco mit einem Interface an, welches das Weltall als Metapher benutzt.

Das zunächst für Musikbibliotheken gedacht System begreift Interpreten als Sterne, Alben als Planeten und einzelene Musikstücke als Monde, deren Umlaufgeschwindigkeit von ihrer Länge abhängt ( Video).

Planetary.jpg

Der Kunstgriff macht auf einen Schlag gigantische Musikbibliotheken versteh- und bereisbar, die in ihrer ursprünglichen Darstellung - als durchsuchbare Listen - nichts anderes als gigantische Friedhöfe für Karteileichen sind. Wer glaubt, dass er seine digitale Musikbibliothek bei 50 GB und mehr gedanklich noch irgendwie "im Griff" hat, dem kann man zwar zu seiner starken Selbsteinschätzung gratulieren, aber glauben muss man ihm deswegen nicht. Und eigentlich ist es ja um den Speicherplatz, viel mehr aber noch um die Musik schade.

Dem Ordnungssystem eine Ästhetik beibringen

Das Beste an "Planetary" ist natürlich, dass es sich grundsätzlich nicht nur für Musikdateien eignet, sondern für jede Form der digitalen Information überhaupt. Wie diese Information dann hierarchisiert und strukturiert wird, ist in den Details eine Sache der Interfacedesigner, und es ist eine absolute Geschmacksfrage, ob man nun tatsächlich das All als Metapher benutzt - genausogut kann man sich eine digitale Bibliothek als Wald oder als Ozean vorstellen.

Es geht im Grunde nur darum, dem Ordnungssystem eine Ästhetik beizubringen, die dem menschlichen Gehirn das Bedeutungspotenzial und die Querverbindungen zwischen den gespeicherten Informationseinheiten deutlich macht - nichts mögen menschliche Gehirne mehr als Bedeutung, und sie arbeiten mit sinnvoll vorsortiertem Material viel besser als mit bloßen Listen. Wenn "Planetary" ein Ausblick auf die Interfaces der Zukunft ist, dann freue ich mich darauf.