Polen hat einen neuen Präsidenten
Nach dem Verzicht von Regierungschef Tusk als Bewerber hat Bronislaw Komorowski gute Chancen, den Amtsinhaber Lech Kaczynski vom Thron stoßen zu können
Seit seinem Sieg bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Herbst 2007 war sich die polnische Öffentlichkeit sicher: Donald Tusk wird im Herbst 2010 bei den Präsidentschaftswahlen gegen Lech Kaczynski antreten. Erste Zweifel an einer möglichen Präsidentschaftskandidatur des Regierungschefs Tusk kamen jedoch Ende November auf, als er eine kritische Bilanz seiner ersten zwei Jahre zog. Dabei bezeichnete Tusk den ständigen Machtkampf mit dem Staatsoberhaupt als den größten Fehler seiner Amtszeit und schlug zur Überraschung vieler eine Verfassungsänderung vor. Nach deutschem Vorbild solle zukünftig der Regierungschef die Politik bestimmen, so Tusk, während der Präsident, der nicht einmal mehr vom Volk gewählt werden sollte, nur noch repräsentieren würde.
Der Vorschlag löste in Polen eine heftige Debatte aus und wurde von Tusk mittlerweile revidiert. Mittlerweile spricht sich auch der Regierungschef dafür aus, das Staatsoberhaupt zukünftig vom Volk wählen zu lassen. Dass Tusk aber weiterhin einen starken Premierminister favorisiert, wurde Ende Januar zur Gewissheit. Bei einer 4118/: Rede in der Warschauer Börse sprach sich Tusk für eine starke Regierung aus und verkündete seinen Verzicht auf die Präsidentschaftskandidatur. "Die Präsidentschaftswahlen sind wichtig, doch bei diesen geht es mehr um Prestige und Ehre als um Autorität und effektive Regierungsarbeit", sagte er damals zur Begründung.
Für eine noch größere Überraschung sorgte Donald Tusk einige Tage nach diesem Auftritt, als es um den Präsidentschaftskandidaten seiner rechtsliberalen Bürgerplattform ( PO) ging. Wie Tusk erklärte, wird nicht das Parteigremium darüber entscheiden, wer im Herbst bei den Wahlen antreten wird, sondern die Parteibasis, und dies zwischen Sejmmarschall Bronislaw Komorowski und Außenminister Radoslaw Sikorski.
Aus politischer Sicht war diese Entscheidung ein genialer Schachzug. Denn einerseits konnte sich die Bürgerplattform durch diese Vorwahl als eine demokratische Partei darstellen und sich damit klar von ihrer stärksten Konkurrenz, der konservativen Recht und Gerichtigkeit ( PiS) abgrenzen, die ihrem Parteivorsitzenden Jaroslaw Kaczynski quasi auf den Leib geschnitten ist, anderseits schob Donald Tusk mit dieser Entscheidung auch jede Verantwortung von sich. Sollte der Kandidat der Bürgerplattform, trotz schlechter Umfragewerte des aktuellen Amtsinhabers, die Präsidentschaftswahlen doch verlieren, dann hat nicht der Favorit des Parteivorsitzenden Tusk, sondern der der gesamten Partei verloren.
Für Komorowski und Sikorski bot sich durch diese Vorwahl wiederum eine Gelegenheit für einen weiteren Karrieresprung. Und wie die letzten Wochen zeigten, wollten beide Politiker diese Chance nutzen. Bei den Vorwahlen, die die Partei nach amerikanischem Vorbild inszenierte, ging es fair zu, doch geschenkt habe sich beide nichts. Beide reisten durch das Land und warben in den Ortsgruppen der Partei für sich. Höhepunkt der Vorwahlen war ein am vorletzten Sonntag stattgefundenes Fernsehduell, das landesweit von den polnischen Fernsehsendern ausgestrahlt wurde.
Als klarer Sieger des TV-Duells erwies sich dabei Sejmmarschall Komorowski. Und dies nicht nur innerhalb der Partei, in der er eh beliebter ist als Sikorski, der wegen seiner engen Verbindungen zu Großbritannien, wohin er Anfang der 80er emigrierte, seiner Ehefrau, der amerikanischen Publizistin Anne Applebaum, vor allem aber wegen seiner Amtszeit als Verteidigungsminister in der Regierung von Jaroslaw Kaczynski, von der Parteibasis der PO misstrauisch beäugt wird, sondern auch bei den Zuschauern. Ein Umstand, der die Kandidatur von Sikorski noch mehr erschwerte. Bis dahin waren seine hohen Beliebtheitswerte sein stärkstes Argument.
Deswegen war die Verkündung des Vorwahlergebnisses keine Überraschung. 68.5 Prozent der Parteimitglieder stimmten für Komorowski, während Außenminister Sikorski nur 31.5 Prozent der Stimmen erhielt. Das Endergebnis der Vorwahlen, deren Verkündung die PO wie das Finale einer Castingshow inszenierte, hatte jedoch einen erheblichen Makel. Mit 47.4 Prozent war die Wahlbeteiligung sehr niedrig, weshalb es noch am Samstag zu einigen Diskussionen an der Parteispitze kam.
Mit Hinblick auf die im Herbst stattfindenden Präsidentschaftswahlen dürfte Bronislaw Komorowski die niedrige Wahlbeteiligung jedoch nicht stören. Laut einer aktuellen Umfrage, die der Nachrichtensender TVN24 noch am Samstag veröffentlichte, würde Komorowski auch gegen den bisherigen Amtsinhaber Kaczynski klar gewinnen. Für Komorowski sprachen sich 38 Prozent der Befragten aus, für Kaczynski nur 21. Die Kandidaten der anderen Parteien spielen in den bisherigen Umfragen keine wichtige Rolle. Der in den Umfragen drittplatzierte Jerzy Olechowski kommt auf gerade 5 Prozent.