Portugal entfernt sich von Defizitzielen

Als Belohnung werden die Defizitziele angepasst und die Rückzahlung der Rettungsmilliarden auf den St. Nimmerleinstag verschoben

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Man müsste eigentlich von einem Offenbarungseid der Troika sprechen, denn Portugal erhält erneut ein Jahr mehr Zeit, um sein Haushaltsdefizit unter die Stabilitätsmarke von 3% zu drücken. Erst 2015 soll dieses Ziel nun erreicht werden. Auch das Defizitziel für 2013 wurde weiter gelockert. Statt 4,5% wurde es nun erneut auf 5,5% nach oben verschoben. Das haben EU-Kommission, Internationaler Währungsfonds (IWF) und Europäische Zentralbank (EZB) entschieden. Erstaunlich ist angesichts dessen, dass das Land die Überprüfung der Troika bestanden habe, teilte der portugiesische Finanzminister Vitor Gaspar in Lissabon mit. Deshalb erhält es nun auch die nächste Hilfstranche in einer Höhe von zwei Milliarden Euro.

Man kann den Vorgang auch als Realsatire oder Schmierentheater bezeichnen. Denn Gaspar musste auch einräumen, dass Portugal sein Defizitziel 2012 massiv überschritten hat, obwohl es erst im Herbst 2012 schon auf 5% heraufgesetzt wurde. Die konservative Regierung teilte auch mit, das Defizit könne sogar bis zu 6,6% betragen. Damit wird nicht nur das angepasste Ziel eklatant verpasst. Es liegt sogar deutlich über dem Defizit des Vorjahrs, obwohl es über die Troika-Programme gesenkt werden sollte.

Allerdings wurde es auch 2011 nur mit Tricks gesenkt. Lissabon hatte Milliarden aus privaten Rentenkassen in den Staatshaushalt verschoben. Ohne diese Plünderung hätte das Defizit bei etwa 8% gelegen. Da dieses Vorgehen 2012 wiederholt wurde, ist das Scheitern mehr als offensichtlich. Nicht einmal zusätzliche Milliarden aus Privatisierungserlösen führen dazu, sich den ohnehin hochgesetzten Zielen zu nähern. Das Tafelsilber wird aber immer knapper, dass noch verscherbelt werden kann, um abstruse Troika-Auflagen zu erfüllen.

Klar ist, dass auch Portugal durch diese Sparauflagen in die Depression gedrückt, die der Troika aber nun als Begründung dient, um die Defizitziele erneut anzupassen. Denn mit ihr brechen die Steuereinnahmen immer stärker ein, obwohl die Steuersätze enorm erhöht wurden, zuletzt die Einkommenssteuer sogar um 30 Prozent. Weil die Arbeitslosigkeit steigt, werden die Sozialsysteme immer defizitärer.

Diese fatalen Effekte müssen eine Regierung überrascht haben, der mit Pedro Passos Coelho ein Wirtschaftswissenschaftler vorsteht. Dabei war längst klar, dass die Steuereinnahmen einbrechen. Doch gegen alle Vernunft kündigte noch im Dezember der Konservative an, man werde das Defizitziel erfüllen. Er stellte sogar ein Ende der Krise in Aussicht. Das Gegenteil ist real der Fall.

Man fragt sich, von welchen "Sanierungserfolgen" die Troika spricht, wenn man schon nach wenigen Monaten erneut die Defizitziele anpassen muss. Sie müsste sich, nachdem ihre Rezepte in Griechenland versagt haben, ob etwas an den Programmen faul ist. Sogar der IWF hatte inzwischen eingeräumt, die Wirkungen der Sparprogramme unterschätzt zu haben.

Man muss kein Wahrsager sein, um erneut vorhersagen zu können, dass auch diese neuen Troika-Ziele nicht eingehalten werden, wenn der Kurs nicht geändert wird. Immer neue Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen ziehen immer weiter Kaufkraft ab, um immer neue Milliarden in den Schuldendienst zu pumpen. Denn alle "Rettungsversuche" haben bisher auch in Portugal nur dazu geführt, dass die Schuldenlast immer größer wurde. Eurostat stellte schon im Januar fest, dass die Staatsverschuldung schon im dritten Quartal 2012 die gefährliche Grenze von 120% des BIP überschritten hat.

Dass man es mit einem Offenbarungseid der Troika zu tun hat, wird auch daran deutlich, dass die Finanzminister der Eurogruppe heute die geplante Rückzahlung der Hilfskredite wie erwartet auf den St. Nimmerleinstag verschoben haben. Details sollen erst in späteren Verhandlungen ausgearbeitet, heißt es in einer kurzen [http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/ecofin/136194.pdf Ecofin-Erklärung. Auch für Irland wird die Rückzahlung in die Zukunft verschoben, womit klar ist, dass die Schulden weiter steigen. Doch mit allen Mitteln soll den beiden Ländern eine erfolgreiche "Rückkehr an die Finanzmärkte" bescheinigt werden. Dass damit höhere Zinsen verbunden sind, die deren Haushalte weiter belasten, wird nicht gesagt.