"Problematische Zusammenarbeit" zwischen deutschen und türkischen Soldaten

Der Bericht des Wehrbeauftragten des Bundestags soll laut Medien unhaltbare Zuständen aus der Kaserne melden, wo die Bundeswehr mit Patriot-Truppen "Solidarität im Bündnis" übt

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Die Lagebefunde weichen voneinander ab. "Wir bedanken uns für die Tatsache, dass die türkische Regierung extra Gebäude saniert, oder neu errichtet, damit unsere Soldaten gut und angemessen untergebracht sind", lobte der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bei seinem Besuch "auf dem Gelände der Gazi Kaserne" im türkischen Kahramanmaras am 23. Februar. Dagegen berichtet der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), von "toten Hunden", "übertünchtem Schimmel" an den Wänden, "unhaltbaren Zuständen im Sanitärbereich" und überdies von einer "überwiegend als problematisch empfundenen Zusammenarbeit mit der türkischen Seite".

Der Bericht des Wehrbeauftragten des Bundestags, adressiert an den Verteidigungsausschuss, ist der Redaktion der SZ zugespielt worden, die die Öffentlichkeit von oben genannten Missständen in Kenntnis setzt. Hervorgehoben wird, über die Mängel der Unterbringung hinaus, ein frostiges Klima zwischen den türkischen und den deutschen Soldaten, das, wie der Bericht anscheinend verstehen lässt, auf höhere Anweisungen seitens der türkischen Armee zurückzuführen sei. Der Bericht lässt, soweit er in Auszügen veröffentlicht wird, auf Order schließen, die darauf ausgerichtet sind, den Kontakt zwischen den Bundeswehrsoldaten und den türkischen möglichst zu "unterbinden". Wer Kontakt aufnehme, werde "gemaßregelt", zitiert die SZ aus dem Bericht.

"Es kriselt gewaltig"

Ein Artikel des Spiegels spitzt dies noch weiter zu. Dort ist von "gewaltigem Kriseln" und "Schikanen" die Rede. Ausführlich wird dort eine Begegebenheit während des Besuches von de Maizière geschildert, die in der SZ auch erwähnt wird, aber knapper und sachlicher: eine "Rangelei" zwischen einer deutschen Feldjägerin und dem türkischen Lagerkommandeur (Spiegel). Herbeieilende "deutsche Kameraden" hätten die Feldjägerin beschützt, heißt es im Spiegel, der sich auf Berichte beteiligter Soldaten beruft. In der SZ wird dagegen in einem Satz lediglich erwähnt, dass ein "türkischer General eine deutsche Soldatin geschubst (habe), die den Verkehr der Delegationsautos habe regeln wollen". An den Kommentaren zum Artikel des Nachrichtenmagazins kann man erneut ablesen, wie viel Empörungspotenzial in solchen deutsch-türkischen Begegnungen liegt und zu mobilisieren ist.

Stimmen die Vorwürfe, die aus dem Bericht zitiert werden, so hat er das Zeug zu einem Politikum. Zumal der deutsche Patriot-Einsatz an der türkischen Grenze zu Syrien ohnehin umstritten ist.

Wie die Bundeswehr anlässlich des Besuches des Verteidigungsministers notiert, lautet der Auftrag der deutschen Truppen nämlich "die Stadt Kahramanmaras und ihre Einwohner zu schützen". Entsprechend gastfreundlich soll auch die Patriot-Flugabwehrraketen-Truppe aufgenommen worden sein - in der Darstellung des Verteidigungsministers:

"Im Gespräch mit einigen deutschen Soldaten erfuhr der Minister von der Gastfreundschaft der türkischen Soldaten und auch der Bevölkerung. Es freute ihn zu hören, dass sich die Truppe in der Türkei willkommen fühlen."

Im Spiegel-Artikel wird dagegen ein ganz anderes Bild gezeichnet. Dabei geht nicht ganz klar hervor, woher die Informationen stammen, ob aus dem Bericht des Wehrbeauftragten Königshaus oder aus selbst eingeholten Aussagen von Soldaten. Beschrieben wird, dass es die Deutschen "nerve", dass ihre Bewegungsfreiheit außerhalb der Kaserne in Kahramanmaras sehr begrenzt sei. Die Soldaten dürften sich angeblich nur in der Innenstadt frei bewegen. Wobei sich von außen die Frage stellt, wie unzumutbar solche Beschränkung tatsächlich sind. Auch darüber, ob "Schikane" der angemessene Begriff ist, um den Umstand zu bewerten, dass deutsche Feldpost vom Zoll "oft über Tage oder gar Wochen festgehalten wird", lässt sich wahrscheinlich streiten.

So ist einiges an den Darstellungen über die Verhältnisse in Kahramanmaras wie immer eine Frage des Blickwinkels. Man müsste erfahren, wie die Rangelei zwischen der deutschen Feldjägerin und dem türkischen General aus Sicht der anderen Seite geschildert wird, um sich ein vollständiges Bild zu machen. Das gilt insbesondere für die mutmaßliche Order, die von den türkischen Soldaten gastunfreundliche Distanz gegenüber den Bundeswehrsoldaten, die laut Bericht zu schroffem Verhalten geführt hat, verlangt. Wozu eine solche Vorgabe, wonach der Kontakt zwischen den Soldaten zu vermeiden ist?

Bislang ist in türkischen Online-Medien, die auf englisch oder deutsch berichten, noch nichts über die Spannungen in Kahramanmaras zu lesen.

Dass zwischen den Ansichten des deutschen Verteidigungsministers de Maizière und jenen des Wehrbeauftragten des Bundestags, Hellmut Königshaus große Unterschiede liegen, hat sich in der jüngsten Vergangenheit schon gezeigt. So korrigierte Königshaus zuletzt das Image der jammernden Soldaten, das der Verteidigungsminister in einem Interview evozierte, als er davon sprach, dass "etliche Soldaten jedoch (glauben), dass sie viel weniger anerkannt werden, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Sie haben den verständlichen, aber oft übertriebenen Wunsch nach Wertschätzung. Sie sind vielleicht geradezu süchtig danach."

Königshaus widersprach diesem Eindruck entschieden, er habe nicht den Eindruck, dass die Soldatinnen und Soldaten "nach Anerkennung gieren". Dass das Verteidigungsministerium in manchen Dingen "eine andere Wahrnehmung" hat, darauf hatte der Wehrbeauftragte der Bundeswehr auch schon bei anderen Themen verwiesen.