Reanimation für Exoplaneten-Jäger Kepler

First Contact

Das inaktive Weltraumteleskop Kepler könnte ab Mitte 2014 wieder nach erdähnlichen Welten jagen, sofern NASA-Manager dies auch wollen

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Seit Anfang März 2009 treibt das NASA-Weltraumteleskop Kepler fernab der Erde im Orbit. Versehen mit dem Auftrag, bis zum Jahr 2016 mehr als 160.000 Sternsysteme abzutasten und dabei extrasolare Planeten, Gasplaneten (Hot Jupiters), große Gesteinsplaneten (Supererden), erdähnliche Welten oder sogar eine "Zweite Erde" zu finden, die im Idealfall im stellaren Grüngürtel beheimatet ist, hat Kepler binnen drei Jahre unzähligen extrasolaren Himmelskörpern den Weg und Aufstieg in den exoplanetaren Olymp geebnet.

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NASA/Kepler Mission/Wendy Stenzel

Via Kepler extraterrestrisches Leben aufspüren

Zahlreiche Kandidaten - mehr als 3300 potentielle Exoplaneten - stehen noch in der Warteschlange und warten auf ihre Bestätigung, die im Rahmen von Nachfolgebeobachtungen (meist) mit bodengestützten Teleskopen erfolgen soll. Unter ihnen könnten nach Ansicht zahlreicher Astrobiologen viele echte erdähnliche Planeten sein, die ihr Muttergestirn in habitablen Zonen umkreisen und auf denen biologisches Leben eher die Regel als die Ausnahme ist.

So verwundert es nicht, dass auch die SETI-Astronomen (SETI=Suche nach außerirdischer Intelligenz) seit dem Januar 2011 ihre Radioteleskope auf die von Kepler lokalisierten extrasolaren Planeten richten und diese bei sich jeder bietenden Gelegenheit gezielt observieren und sezieren, sofern die finanziellen Mittel dies erlauben.

Erfolglose Reaktivierungsversuche

Doch um Kepler steht es nicht gut. Nachdem im Sommer 2012 eines seiner vier Trägheitsräder den Geist aufgab und abgeschaltet werden musste und im Mai dieses Jahres ein zweites Schwungrad seinen Dienst quittierte, hat Kepler seine Bewegungsfreiheit vollends eingebüßt. Auch der Versuch, wenigstens eines der Räder aus dem Tiefschlaf zu holen, scheiterte im August dieses Jahres kläglich.

Ein Erfolg wäre zwingend erforderlich gewesen, weil die NASA-Ingenieure drei funktionstüchtige Gyroskope brauchen, um das Weltraumfernrohr auf die ausgewählte Sternregion millimetergenau auszurichten, die eingenommene Position zu halten und die fernen Sonnen nicht aus dem Blickfeld zu verlieren.

Doch die Hoffnung stirbt manchmal auch für scheinbar verlorene Weltraumteleskope zuletzt, wie das Fallbeispiel "Hubble" eindrucksvoll vor Augen führt, das während fünf Wartungsmission erfolgreich -repariert und modifiziert wurde. Da Kepler 64 Millionen Kilometer entfernt im Windschatten der Erde driftet und eine Rettungsmission wie beim NASA-Weltraumteleskop Hubble somit unmöglich ist, musste ein Alternativplan her.

K2-Konzept

Und genau ein solchen haben die NASA-Ingenieure schon vor einigen Monaten ausgearbeitet. Sie haben aus ihrer Not eine Tugend gemacht. Anstatt weiter daran zu werkeln, wenigstens einem Trägheitsrad wieder Leben einzuhauchen und dadurch den Betrieb von Kepler auch für die nächsten Jahre zu sichern, entwickelten sie einen neuen Plan, bei dem sie den Sonnendruck im Fokus hatten.

Mit dem innovativen, bereits im NASA-Hauptquartier diskutierten Missionskonzept namens "K2" drehen die NASA-Ingenieure gewissermaßen den Spieß um. Ursprünglich besteht die Aufgabe der Kreiselinstrumente darin, immer dann gegenzusteuern, wenn die Photonen des Sonnenlichts Druck auf das Weltraumteleskop ausüben. Jetzt jedoch soll die Kraft des solaren Strahlungsdrucks genutzt werden, quasi als Ersatz für das ausgefallene dritte Gyroskop.

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Keplers lokalisiert Exoplaneten auf Basis der Transit-Technik. Hierbei misst die Sonde die Helligkeitsschwankungen eines ausgewählten Sterns. Kreuzt ein dort vorkommender extrasolarer Planet die Sichtlinie des observierten Muttersterns, registrieren die Astronomen für die Dauer des Transits einen Amplitudenabfall in der Lichtkurve. (Bild: NASA)

Um dieses Ziel zu erreichen, richteten die NASA-Wissenschaftler bereits Ende Oktober in einem ersten Testlauf das Weltraumteleskop so aus, dass sich der Strahlungsdruck von der Sonne gleichmäßig über das Teleskop verteilen konnte. Um das Fernrohr zu stabilisieren, richteten die Forscher es parallel zu seiner Umlaufbahn um die Sonne aus. Der erste Versuch glückte. Eine halbe Stunde lang visierte Kepler Zielsterne im Sternbild Sagittarius (Schütze) an. Dabei gelang es dem Kepler-Team, ein "Second Light"-Bild (in Anlehnung an das "First Light") einzufangen, das fast mit den alten Kepler-Bildern konkurrieren konnte. Der Qualitätsverlust betrug nur fünf Prozent.

Hürde Senior-Review

Momentan gehen die Versuche weiter und es sieht ganz danach aus, als sollte es den NASA-Astronomen und Ingenieure in absehbarer Zeit gelingen, das Teleskop über einen weitaus längeren Zeitraum stabil zu halten. Dennoch könnte Kepler erneut Schiffbruch erleiden.

Denn obwohl sich das neue K2-Konzept langsam durch alle Führungsetagen der NASA nach oben gearbeitet hat, steht der große Showdown noch bevor; in Form einer so genannten Senior Review, die Anfang 2014 stattfinden soll. Besagtes Verfahren wird innerhalb der NASA nur alle zwei Jahre durchgeführt und ist für jeden Projektantragssteller die wichtigste Hürde, die es zu meistern gilt, um die dringend so benötigte Finanzspritze zu erhalten. Sie ist aber nicht die letzte, wie NASA-Offizielle in einer kürzlich veröffentlichten [ Mitteilung ] der US-Raumfahrtbehörde zum Besten gaben:

"Damit keine Missverständnisse aufkommen – dies ist noch keine Entscheidung, den operativen Betrieb der Kepler-Sonde wieder aufzunehmen oder eine verlängerte Mission mit zwei Kreiselräder durchzuführen; es ist bloß eine Gelegenheit, um einen anderen Antrag zu verfassen und mit den anderen Projekten […] zu konkurrieren und um die begrenzten Mittel zu werben, die für astrophysikalische Missionen verfügbar sind."

Lohnenswerte Bit und Bytes

Das endgültige Schicksal über das K2-Missionskonzept entscheidet sich erst im Sommer des nächsten Jahres. Ob das Kepler-Team dann ihren Schützling reanimieren darf, steht noch nicht einmal in den Sternen, die die Projektwissenschaftler so gerne wieder anvisieren würden. Die Chancen, dass Kepler wie der sagenumwobene Phoenix aus der Asche zu neuem Leben erwacht und zu ungeahnten Höhen emporsteigt, stehen dennoch nicht schlecht.

Gleichwohl müssen sich alle Beteiligten noch eine Zeit lang in Geduld üben und sich anderen Aufgaben widmen. An Arbeit mangelt es fürwahr nicht. Schließlich muss noch der beachtliche Berg der alten Kepler-Daten abgetragen werden. Es könnte ein lohnenswertes Unterfangen sein, weil in dem Wust der Bit und Bytes noch einige Überraschungen schlummern dürften, die auch von exobiologischem Interesse sind.