Roboter, um den Umgang mit Menschen zu üben

Die japanische Roboterfrau Simroid als Patientensimulakrum mit Würgreiz für künftige Zahnärzte.

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Auf der International Robot Exhibition wird die Artenvielheit der Roboteravantgarde vorgestellt. Anders als im biologischen Reich werden die die fitten Exemplare aber nicht aus Massen von fast gleichartigen Varianten ausgewählt, sondern gibt es zuerst nur einzelne Exemplare, die dann vielleicht vermehrt und weiter entwickelt werden. Roboter sind auch oft Umsetzungen von Fantasien und Spekulationen über das, was Menschen als ihre künftigen Besitzer unter den Bedingungen der technischen Möglichkeiten sehen und haben möchten.

Manchmal kann man sich in dieser teleologischen, der natürlich Selektion entgegen gesetzten, eher einem mehr oder weniger intelligenten Design gleichenden Evolution aber fragen, wer jemals diese in bewegte Materialität umgesetzten Geschöpfe brauchen könnte. Aber vielleicht werden ja Zwecke auch erste durch objektivierte Möglichkeiten geschaffen. Besonders in Japan wird immer argumentiert, dass mit der vergreisenden, reproduktionsunwilligen Bevölkerung ein Arbeitskräftemangel eintrete, dem man nur mit Robotern kompensieren könne, als ob es angesichts der noch immer wachsenden und noch immer weitgehend jungen Weltbevölkerung nicht auch genügend Menschen gebe, die Arbeit und ein Einkommen benötigen und zudem billiger kämen.

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Auf der japanischen Computermesse wird beispielsweise Simroid, ein humanoider Roboter in weiblicher Erscheinung, präsentiert. Seine Existenz verdankt Simroid der Vorstellung, dass künftige Zahnärzte während ihrer Ausbildung auch den Umgang mit den Patienten lernen sollten. Also wird eine möglichst menschenähnliche Roboterfrau geschaffen, die im Zahnarztstuhl liegt, gesprochenen Anweisungen und den Bewegungen des Zahnarztes folgen kann, um dann beispielsweise Schmerzen zu zeigen, wenn die Behandlung einem menschlichen Patienten weh tun könnte.

Geschaffen wurde Simroid von der Firma Kokoro, die bereits Roboter - Actroid - hergestellt haben, die an einem Empfang sitzen und Auskunft geben können oder anderweitig einsetzbar sind. Die Roboterpatientin hat nicht nur eine weiche Silikonhaut und viele "Muskeln", um sich einigermaßen menschenähnlich anzufühlen und so auszusehen, ihr Mund ist auch vollgepackt mit Sensoren, um darüber zu erkennen, wann ein Zahnarzt einen Fehler macht, der zu Schmerzen führen kann. Als Folge reagiert Simroid mit entsprechender Gesichtsmimik, bewegt die Hände und Augen und sagt, dass es weh tut ( Video). Und weil viele Menschen auch einen Würgreiz haben, wenn die Instrumente zu weit in den Mund gelangen, zeigt Simroid auch diesen.

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Aber was lernen künftige Zahnärzte an der simulierten Person wirklich? Bei einer virtuellen, möglichst realistischen Operation können tatsächlich Fertigkeiten ähnlich gelernt werden wie an einem Flug- oder Fahrsimulator. Ob man aber den Umgang mit Menschen über den Umweg mit Robotern lernen muss, ist schon sehr fraglich, zumal man bislang ja nur die Interaktion, aber nicht das Bohren und Behandeln üben kann. Möglicherweise ist Simroid aber ein Symptom dafür, dass wir in Zukunft zunehmend, beispielsweise als Einzelkinder, mit Robotern umgehen und aufwachsen werden, die den Menschen durch technisch verkörperte Idealinteraktion lehren, wie man sich Menschen nähern soll und die gleichzeitig als vorbildlicher Spiegel für das eigene Verhalten dienen. Aber es steht zumindest in diesem Fall zu vermuten, dass die technische oder soziale Selektion Simroid relativ schnell ins Museum oder auf den Roboterfriedhof befördern wird. (fr)