Schadet das Betreuungsgeld der Integration?

Eine OECD-Studie argumentiert in diese Richtung. Bildungsangebote für Kleinkinder würden von Zuwandererfamilien durch den Subventionsanreiz ausgeschlagen

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Im Kabinett ist das umstrittene Betreuungsgeld beschlossen. Die Grünen-Fraktion will, dass im Parlament noch einmal die "rechtlichen, haushalts- und familienpolitischen Fragen zu diesem Gesetz angemessen beraten" werden. Dass damit der Schrödersche Gesetzesentwurf verhindert wird, ist fraglich, möglich ist, dass sich die Abstimmung im Parlament über die Sommerpause hinaus verschiebt. Eine Möglichkeit, das Gesetz zu verhindern bestünde darin, dass es auch die Zustimmung des Bundestags benötigt. Von den dazu nötigen offiziellen und rechtlichen Vorstößen hat man aber, trotz mancher empörten Ankündigung nichts mehr gehört. Familienministerin Kristina Schröder sieht jedenfalls keine solchen Hindernisse: "Wir gehen davon aus, dass die Einwände in sich zusammenfallen."

Dafür liefert eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) noch einige Bedenken nach. Die Studie soll erst heute veröffentlicht werden (mittlerweile ist sie hier). Die Springer-Tageszeitung "Die Welt" hatte heute morgen daraus zitiert: vor allem Bedenken gegen die finanzielle Unterstützung von Familien, die ihre Kinder bis zum Alter von drei Jahren zuhause betreuen und weder in eine staatlich geförderte Krippe noch in die Hände einer staatlich geförderten Tagesmutter geben (die Kontrolle von etwaigem Leistungsmissbrauch ist ein eigenes Problem).

Das Zuckerle setzt ein falsches Signal, insbesondere bei den Zuwandererfrauen, kritisiert die OECD-Studie. Besonders für "gering ausgebildete Frauen mit mehreren Kindern, die in Ländern mit hohen Betreuungskosten leben, deren Lohn aber im Regelfall nicht dafür ausreiche, um sich solche Betreuung leisten zu können", setze es den falschen Anreiz: nämlich sich für die staatliche Geldzuweisung zu entscheiden. Daraus könnten Nachteile bei der Integration und dem Schulerfolg der Kinder erwachsen.

"Die Integration von Zuwanderermüttern in den Arbeitsmarkt - besonders jene mit geringer Ausbildung - ist direkt verbunden mit der Bildung ihrer Kinder. Es gibt zunehmend klare Belege dafür, dass die Teilnahme an kindlicher Bildung für ab Dreijährige einen starken Einfluss auf den Bildungswerdegang von Kindern aus sozial schwachen Zuwandererfamilien hat. Nachweislich profitiert diese Gruppe am meisten von den Bildungsangeboten."

Allerdings ist das Argument, wie es hier gefasst wird, für die Diskussion nicht wirklich tauglich, weil hier mit (früh)kindlichen Bildungsangeboten Kindergärten und nicht Kinderkrippen gemeint sind. Kinder gehen ab dem Alter von drei Jahren in den Kindergarten. Das Betreuungsgeld gibt es, wie oben angemerkt, für Kinder bis zu drei Jahren. Es müsste also der Nachweis geführt werden, dass die Bildungsangebote für "unter Dreijährige" einen erheblichen Einfluss auf den Bildungswerdegang hat. Wer jedoch die Entwicklung von Kleinkindern in einer Krippe mitbekommen hat, die als Zweijährige dorthin kamen und ungern und schlecht Deutsch sprachen und nach einem Jahr ein völlig anderes Sprachverständnis und Sprachgefühl hatten, kann sich der Annahme anschließen, dass die Kinder von der Betreuung außerhalb mehr profitieren. Auch den zugewanderten Eltern eröffnet der Besuch der Krippe Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit anderen Eltern, die es sonst möglicherweise nicht so leicht gibt.

Entscheidend ist freilich, wie gut die Krippen sind. Darauf machte jüngst auch der Lieblingsexperte der besser gestellten Mittelklasse-Eltern, Jesper Juul, aufmerksam. Man dürfe bei der Diskussion um die Betreuung der Kinder deren Wohlergehen nicht aus den Augen verlieren.

So ist bleibt denn auch das stärkste Argument gegen das Betreuungsgeld jenes, das im Blick hat, dass das dafür aufgebrachte Geld - laut "Welt" sind für 2013 rund 300 Millionen Euro eingeplant, ab 2014 werden Aufwendungen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro erwartet, ab 2015 dann 1,2 Milliarden Euro - den Krippen guttäte: mehr Geld für mehr und besser ausgebildete Erzieher. Dass solch ein Aufwand die "Wahlfreiheit" jener Eltern beeinträchtige, die ihre Kinder in den ersten Jahren lieber zuhause lassen, ist ein fabriziertes reichlich abstraktes Argument, das mit Subventionsneid spielt und nicht das Interesse der Allgemeinheit im Blick hat. Wer seine Kinder lieber zuhause selbst betreut, dem erwächst durch den Ausbau von Krippen kein Nachteil.

Dazu kommt beim Betreuungsgeld die Vernchlässigung der Situation von Hartz-IV-Empfängern: den Eltern also, die kein Geld für Betreuung übrig haben und jeden Euro nötig. Ihnen wird nach den Plänen des Familienministeriums das Betreuungsgeld auf die Bezüge angerechnet, damit sie keinen ungebührlichen finanziellen Vorteil daraus schöpfen können.

Laut OECD - soweit sie von der Welt zitiert wird - sorgt diese Regelung übrigens nicht dafür, dass Frauen aus Zuwandererfamilien aus der Prämie herausfallen, weil der größere Teil der Zuwandererfamilien keine Hartz-IV-Leistungen beziehe.