Schichtenspezifische Todesraten aufgrund Alkoholkonsum

Die Angehörigen der Unterschicht sterben früher, die der gut verdienenden Oberschicht später

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Die Unterschicht, der Pöbel, lebt nicht nur gerne im anstrengungslosen Wohlstand, frisst sich dick, achtet nicht auf den Körper und trinkt über Maßen Bier und Schnaps. So sieht es mancher der meist selbst erwählten Leistungsbürger und Angehöriger der Mittel- und Oberschicht und schaut verachtungsvoll nach unten.

Nach einer statistischen Studie in Großbritannien gibt es aber eine ambivalente Entwicklung. Zwar ist die Zahl der von Alkoholkonsum verursachten Todesfälle insgesamt seit Beginn der neunziger Jahre gestiegen und hat, vielleicht verbunden mit der Finanzkrise, 2008 einen Peak mit mehr als 9.000 Todesfällen erreicht. Meist betrifft das letale Alkoholrisiko die Männer – und zwar am ehesten in der Altersgruppe zwischen 55 und 74 Jahre. Wer älter ist, kann das Risiko zumindest senken, die Gefährdeten sind schon früher gestorben.

In den Schichten mit geringen Einkommen gibt es einen Peak für die alkoholbedingten Sterbefälle im mittleren Alter um die 50 Jahre, danach sinkt das Risiko. Das kann damit zu tun haben, dass hier tatsächlich die Ernährung, die Sorge für die Gesundheit und andere soziale Faktoren eine Rolle spielen. Anders sieht es bei den einkommensstärksten Schichten aus. Dort ist das Sterberisiko zwar insgesamt niedriger, aber es steigt deutlich beim Übergang von der Altersgruppe der 45-49-Jährigen zu den 60-64-Jährigen an.

Für Michael Marmot, Professor of Epidemiologie am University College London, hat dies mit einer falschen Selbsteinschätzung zu tun. In jüngeren Jahren geht man eher aus und trinkt, später bleibt man Zuhause, trinkt dieselbe Menge an Alkohol und denkt, man trinke nur mäßig. Für die Leber sei das aber egal. Trotzdem scheint es, was die Lebenserartung betrifft, die Angehörigen der unteren sozioökonomischen Schichten eher zu treffen als die Gutverdiener, die, wenn dem Alkohol verfallen, halt dennoch einige Jahre später sterben.