Schiffbruch statt Lawine

Österreich: Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien floppt – die Themen bleiben

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Das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien in Österreich endete gestern mit Schiffbruch. Wie das Innenministerium bekannt gab, unterzeichneten nur 56.660 (0,89 Prozent der Stimmberechtigten); beim zugleich laufenden Demokratiebegehren "Demokratie Jetzt" waren es 69.841 Personen (1,10 Prozent). Damit ist für beide Anliegen die angestrebte Behandlung im Nationalrat gescheitert; 100.000 Unterschriften hätten jeweils erreicht werden müssen. Die beiden Volksbegehren waren damit wohl die erfolglosesten in der Geschichte der Zweiten Republik, die Ergebnisse noch schlechter als bei "Raus aus Euratom" (2011 mit 98.678 Stimmen) und "Pro Motorrad" (1995 mit 75.525 Stimmen).

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn _kirche_zufrieden_mit_scheitern_des_volksbegehrens/ted-685543: freute sich flugs über eine "freie Kirche in einem freien Staat" und denkt scheinfromm über Missbrauchsopfer und "Konsequenzen" für die Täter nach.

Ein Inzest-Verhältnis zwischen Kirche und Staat nennen die Kritiker aber weiterhin unverdrossen die unheilvolle Verquickung geistlicher und weltlicher Macht; sadistisch und menschenverachtend sei der Umgang mit Kindern, die kirchliche Praxis der Aktenvernichtung betreffe auch Deutschland.

Sepp Rothwangl, ein Betroffener kirchlicher Gewalt: "Wir gehen von mindestens 5000 Betroffenen in Österreich aus und von einigen hundert Tätern. Von 40 beschuldigten Priestern wissen wir explizit, dass sie nach wie vor im Dienst sind und somit ein latentes Gefahrenpotential darstellen."

Die österreichische Initiative gegen Kirchenprivilegien übt sich derweil in moderater Selbstkritik und räumt Fehler bei der öffentlichen Darstellung des Anliegens ein. Hinzu kämen überhaupt anhaltender Frust vieler Wähler, mangelndes Medieninteresse und ein geschicktes Taktieren der Kirchen, die das Begehren zunächst totgeschwiegen und dann durch gezielte Kampagnen geschwächt hätten. "Das Instrument ist tot", sagte am Montagabend Niko Alm, einer der Initiatoren, über Volksbegehren aus jüngerer Zeit. Er sei jedoch "nur leicht enttäuscht", die Themen seien nicht vom Tisch, Fakten nach wie vor gefragt.

Dazu gehören die vielen seitens der Initiative gesammelten Hinweise und Hintergründe, so zum Beispiel in Bezug auf geheim gehaltene Vermögens- und Beteiligungsverhältnisse der römisch-katholischen Kirche, die nicht ohne Lust enthüllt werden. Kardinal Schönborn, der nach Angaben der Initiative zu den 100 reichsten Österreichern gehört, führt demnach ein "fürstliches" Leben, während seine Kirche offiziell nicht müde wird, auf glorreiche Leistungen fürs Allgemeinwohl hinzuweisen. Eine Strategie, die allerdings bei immer weniger Menschen, ob in Österreich oder anderswo, auf Anhänger stoßen wird.