Sehen und sehen lassen

Neben der Spur

Wenn die einen sich mit der Hilfe von Apps in Sicherheit bringen, haben die anderen noch gar nichts davon mitgekommen, dass sie jetzt immer sichtbar sind.

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Fast möchte man den Zyniker herausholen und sagen: Vorbei sind die Zeiten, in denen es noch Blindheit gab. Aber das wäre jetzt ein zu müder Witz. Angesichts dessen, was den ernsten Hintergrund zu einer wohl notwendig gewordenen App bildet, die angeblich gerade mittels Crowdfunding entstehen soll. "Raid Alerts" soll sie heißen, schon seit der Regierungszeit von Barack Obama in Arbeit sein und nun als Mobile App in die Stores kommen.

Wie der Name schon sagt, geht es um eine digitale Warnung vor den Trumpschen Ausschaffungsanfällen von Undocumented Immigrants. Wann immer die Polizei nun damit beginnt, in Teilen des Landes Menschen mit fehlendem offiziellen Aufenthaltspapieren zu verhaften und außer Landes zu schaffen, soll die App alle anderen mittels eines lokalisierenden Alarms warnen.

So in etwa wie "Washington: Geh nicht nach Hause, dort wartet gerade die Polizei auf Dich."

Was so herum funktioniert und den Staat an der Schnüffelnase herumführen soll, geht natürlich auch anders herum. Yinzhi Cao, ein in Pennsylvania ansässiger IT-Professor, hat eine Methode vorgestellt, die er als Browser Fingerprinting bezeichnet. Und damit sollen User quer über und durch das Internet verfolgt werden können, selbst wenn sie auf ihrer Maschine alle Cookies abschalten und die Browser wechseln. Die Idee dazu basiert auf der Sicherheit, dass Grafikkarten und diverse Schrifteneinstellungen unverwechselbare Profile ergeben.

Wenn man nun den Browser dazu bringt, gewisse Interaktionen durchzuführen, die genau diese Profile generieren und Daten dazu übertragen, kann man angeblich eine Trefferquote von über 99 Prozent erzielen, dass trotz Browserwechsel der gleiche User am Werk ist. Auf einer einzelnen Maschine, aber die wenigsten von uns tendieren ja dazu, ähnlich zu einem Wegwerffeuerzeug für jede Surfsession einen neuen PC zu kaufen.

So lassen sich also Menschen finden und im Glauben, dass sie sich gut mit einem Browserwechsel vor allzu lästigen Werbeanzeigen versteckt haben, immer noch mit den neuesten Flugreiseangeboten beballern.

Ob das Immigranten hilft, die kurz vor dem Zugriff in den USA stehen, das wissen wir nicht, es könnte sein, dass zukünftig durchaus eine App für staatliche Zugriffskräfte entsteht, die anzeigt, wo ein bestimmter Mensch mit einer bestimmten Maschine sich befindet, der die Daten auf dem Server anzapft, welche ihn vor Abschiebung schützen sollen. So wäre dann der Schutzeffekt in übler Weise umgedreht.

Manchmal wünschte man, man wäre blind.