Seltsame Bürgerbeteiligung beim Verkehrsministerium

Die Bürger sollen über das von Minister Ramsauer vorgeschlagene Punktesystem diskutieren, gleichzeitig versuchte man mit Tricks, die Meinung des Volkes lieber nicht genau zu wissen

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Am 1. Mai ist die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Gang gebrachte Bürgerbeteiligung über die Eckpunkte der geplanten Neuregelung des Punktesystems gestartet, das Minister Peter Ramsauer durchsetzen will. Vermutlich aufgrund der Erfolge der Piratenpartei versucht der Minister nun auch, mit größerer Bürgerbeteiligung zu punkten.

In den ersten Tagen sollen die Bürger auf der Website Punkteforum diskutieren, ob das neue System mit zwei statt bisher sieben Punkten für Verstöße und einem übersichtlichen "Punkte-Tacho" einfacher ist, wie das Ramsauer behauptet. Ab sechs Punkten soll es eine Verwarnung und eine Anordnung zur Teilnahme an einem Fahreignungsseminar geben, ab acht Punkten wäre der Führerschein weg. Schwere Verstöße verfallen nach 2,5, besonders schwere Verstöße, für die man zwei Punkte erhält, nach 10 Jahren.

Aufgeteilt wurde die Diskussion nach den vom Minister genannten Kriterien, wodurch das neue System dem alten überlegen sein soll: Es soll nicht nur einfacher, sondern auch gerechter, transparenter und sicherer sein. Irgendwie sollen die Bürger, die mitdiskutieren wollen, die einzelnen Punkte abarbeiten. Welchen genauen Sinn diese Aufteilung macht, ist nicht recht ersichtlich: "Bitte beziehen Sie sich in Ihren Beiträgen daher nur auf das jeweils aktuell gesetzte Thema, das die vorgesehene Neuregelung aus einem bestimmten Blickwinkel zur Diskussion stellt." Immerhin ist man im Ministerium eifrig und antwortet auf viele Beiträge. Im Ministerium prüft man die eingehenden Kommentare ("Die Moderation wird Beiträge, die mit den Regeln zur Bürgerbeteiligung nicht vereinbar sind, ablehnen.") und schaltet sie auch am Wochenende zwischen 7.00 Uhr und 22.30 frei. Das ist schon mal erstaunlich.

Bis gestern war auch vorgesehen, ohne Kommentar einfach abstimmen zu können, ob - wie in dieser Woche - das Punktesystem einfacher ist. Dafür gab es die Möglichkeit, seine Ja-Stimme abzugeben, indem man auf einen Button klickt. Gerade einmal 53 hatten bis gestern nachmittag an der Abstimmung teilgenommen. Aus welchem Grund man aber nur zustimmen, aber nicht ablehnen konnte, wurde dann so begründet: "Diese Form der Bürgerbeteiligung ist nicht als Abstimmung gedacht, sondern vielmehr als Teilnahmemöglichkeit in Form einer offenen Plattform, um konstruktiv über die Neuregelung sowie Vorschläge zur Verbesserung zu diskutieren. Daher würde eine reine Ablehnung in Form eines Nein-Buttons dieser Ausrichtung widersprechen. Bei einer kompletten Ablehnung wäre eine differenzierte Erklärung hilfreich für den Diskussionsprozess."

Man war also zunächst durchaus an pauschaler Zustimmung interessiert, verhindert aber eine direkte Ablehnung. Es könnte ja sein, dass mehr Menschen das neue System ablehnen, als ihm zustimmen. Dann aber hätte man Probleme, das Vorhaben über die Köpfe der Bürger hinweg weiter zu verfolgen. Offenbar war der Trick zu durchsichtig und kaum begründbar, weswegen das Ministerium ihn mit der vielsagenden Begründung wieder entfernt hat: "Da die Funktion "Zustimmen" für Missverständnisse gesorgt hat, haben wir die Funktion entfernt." Damit antwortete man auf einen Kommentar, der nach einem "Abstimmungsbutton gegen die Reform" fragte und davon ausging, dass sich die Mehrheit gegen die Reform ausspricht, dies aber nichts ändern wird.

Die Bürger sollten zudem nur zustimmen können, ob das neue System einfacher, transparenter, gerechter und sicherer ist, nicht aber, ob sie überhaupt Veränderungen und eine Neuregelung des Fahreignungsregisters wünschen. Der Versuch, eine Ablehnung zu verhindern und nur die positiven Stimmen zu sammeln, spricht, auch wenn schnell die Reißleine gezogen wurde, jedenfalls Bände über die Vorstellung einer Bürgerbeteiligung. Konstruktiv will man die Bürger haben.