Spanien liefert den Robin Hood der Finanzwelt schon wieder nicht aus
Da die Schweiz den Deal nicht mitmachen wollte, den "Datenspion" gegen katalanische Politiker auszutauschen, kommt nun die spanische Retourkutsche
Spanien macht auf Rechtsstaat: Gestern hat der Nationale Gerichtshof in Madrid entschieden, Hervé Falciani nicht an die Schweiz auszuliefern. Soweit eigentlich gut, wäre da nicht die Tatsache, dass genau das schon das Ergebnis der ersten Verhaftung und des ersten Verfahrens gegen den "RobinHood der Finanzwelt" vor einigen Jahren in Spanien war. 2012 war er auf Basis eines Schweizer Haftbefehls für fünf Monate inhaftiert worden.
Im Verfahren hatte er im Frühjahr 2013 über das "skandalöse Vorgehen" der britischen HSBC-Bank berichtet, für die er gearbeitet hat. Dort hatte der italienisch-französische Informatiker 130.000 Datensätze von 24.000 Kunden "gestohlen", wofür ihn die Schweiz wegen Wirtschaftsspionage, Datendiebstahls und der Verletzung des Bank- und Geschäftsgeheimnisses angeklagt hat.
In Abwesenheit hatte das Bundesgericht ihn 2015 dann allerdings nur noch wegen "Datenspionage", konkret wegen "wirtschaftlichen Nachrichtendienstes", zu fünf Jahren Knast verurteilt. Vom Vorwurf der Verletzung des Bankgeheimnisses und der unbefugten Datenbeschaffung wurde er freigesprochen.
Mit den Daten konnten jedenfalls in etlichen Ländern Steuerbetrüger ermittelt werden und massive Steuernachzahlungen durchgesetzt werden.
Allein in Spanien wurden mit seinen Unterlagen fast 700 Steuerbetrüger ermittelt und das spülte 300 Millionen Euro in leere Staatskassen. Aus guten Gründen hatte Spanien die Auslieferung von Falciani im Mai 2013 an die Schweiz abgelehnt. Sogar das Ministerium für Staatsanwaltschaft, vertreten von Dolores Delgado, hatte sich im Prozess dagegen gewendet.
Die Position der Staatsanwälte
Delgado, seit Juni neue Justizministerin, sah es schon damals nicht so, dass sich Falciani in Spanien strafbar gemacht haben könnte. Gesetze gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung schreiben sogar vor, dass Vergehen angezeigt werden müssen, wenn man Kenntnis davon erlangt. "Wir können nicht die bestrafen, die strafbare Handlungen feststellen und anzeigen", erklärte sie als Staatsanwältin vor fünf Jahren angesichts eines Steuerbetrugs im Umfang von etwa 300 Milliarden Euro, der sich allein bei der HSBC aus den Falciani-Listen ergab.
Mit dem Wechsel im Ministerium und damit in der Generalstaatsanwaltschaft, nach dem erzwungenen Abgang der korrupten PP-Regierung, hat sich auch wieder die Position der Staatsanwälte geändert. Die wollte plötzlich, weil es eine sozialdemokratische Regierung gab, auch keine Auslieferung mehr. Die Staatsanwaltschaft unter der Vorgängerregierung hatte ihn dagegen festnehmen lassen.
Nun argumentierte die sozialdemokratische Staatsanwaltschaft, dass der Vorgang gegen Falciani ja schon verhandelt und entschieden worden ist und auf der Basis wurde er nun in einem Prozess freigesprochen, den es nie hätte geben dürfen.
Durchsichtiger Kuhhandel
Die Schweiz, die sich geweigert hatte, auf einen durchsichtigen Kuhhandel einzugehen, den ihr die korrupten Vorgänger an der spanischen Regierung unterbreitet hatten, hatte den Weg für eine Auslieferung auch nicht gerade geebnet. Denn die Volkspartei (PP) unter Mariano Rajoy hatte Falciani über ihre Staatsanwaltschaft nur erneut festnehmen lassen, da sie ihn gegen katalanische Politikerinnen austauschen wollte.
Die frühere CUP-Sprecherin Anna Gabriel oder die Generalsekretärin der Republikanischen Linken (ERC) Marta Rovira sind nämlich vor der politischen Verfolgung in Spanien geflohen und haben in der Schweiz ein Exilland gefunden. Sie haben sich, um nicht wie Kollegen hinter Schloss und Riegel zu schmoren, nach Genf abgesetzt, wo Falciani einst tätig war.
Die Schweiz hatte beim Besuch des damaligen spanischen Außenministers Alfonso Dastis im Frühjahr klargestellt, dass für Rechtshilfe nur Verträge und Gesetze gelten: "Deshalb gibt es auch überhaupt keinen Ermessensspielraum für irgendwelche Deals." Nur wenn die Voraussetzungen erfüllt seien, könne es eine Auslieferung geben, erklärte der Chef des Bundesamts für Justiz Folco Galli.
Der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis hatte zudem klargestellt, dass die Katalanen das Recht als EU-Bürger haben, in die Schweiz zu kommen. Er bot sogar an, zwischen Spanien und Katalonien zu vermitteln, was Madrid natürlich ausgeschlagen hat.
Das spanische Justizsystem
Der Vorgang um Falciani zeigt erneut, dass im spanischen Justizsystem etwas dramatisch schief läuft. Das gilt auch für die absurde "Rebellion"-Anklagen gegen katalanische Politiker. Obwohl kein Richterkollege in Europa die "gewaltsame Erhebung" erkennen kann, sitzen sie seit fast einem Jahr neun Menschen im Gefängnis und ihnen soll nun dafür der Prozess gemacht werden.
Das zeigen auch lange Haftstrafen gegen Sänger und Twitterer, die Verfolgung von Schauspielern … Alle haben nur eine Abstimmungorganisiert oder ihre Meinung kundgetan. Doch dafür sie werden in Spanien inhaftiert verurteilt oder müssen ins Exil.