Spanischer Spar- oder Wachstumsplan?

Vom angekündigten umfassenden Reformplan war beim "Theater" in Madrid nichts zu sehen

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Die Lage ist ernst für die spanische Regierung, denn national und international sinkt das Vertrauen in sie weiter. Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte einen neuen "Reformplan" angekündigt. Es sollte ein Befreiungsschlag werden, weil sich die Lage im Land deutlich verschlechtert hat, seit seine rechte Volkspartei (PP) die Wahlen im November 2011 gewann. Wirtschaftsminister Luis de Guindos räumte nach der Kabinettsitzung am Freitag ein, dass die spanische Wirtschaft 2013 etwa drei Mal so stark schrumpfen werde, als die Regierung gegen alle Prognosen der Finanzorganisationen mit 0,5% prognostiziert hatte.

Das bedeutet, dass der Haushalt weiter aus den Fugen gerät, weil zu hohe Einnahmen und zu niedrige Ausgaben veranschlagt wurden. Sogar die konservative Wirtschaftszeitung "El Economista" spricht von einem "Theater", weil vor allem längst angekündigte Maßnahmen neu verkündet wurden. Dazu gehört, dass die öffentliche Hand ausstehende Rechnungen von Regionen und Städten bezahlen will. Schneller soll die Gesetzgebung fallen, dass Firmen die Umsatzsteuer von Rechnungen ans Finanzamt abführen müssen, noch bevor diese bezahlt wurden. Damit hat der Staat bisher massiv zu Firmenpleiten beigetragen. Das war besonders absurd, weil die öffentliche Hand Rechnungen teils jahrelang nicht bezahlt. Ohne Ausgaben werden Steuereinnahmen generiert und damit das Haushaltsdefizit aufgehübst. Vor allem für kleine Firmen wäre das eine große Erleichterung. Wann die Umsetzung kommt, blieb genauso unklar, wie die massiven Einnahmeausfälle ausgeglichen werden.

Angekündigt wurde auch eine Evaluierung der Arbeitsmarktreform. De Guindos zeigte sich "überzeugt von einem positiven Urteil". Das erstaunte Journalisten auf der Pressekonferenz. Denn das Statistikamt hatte am Donnerstag aufgezeigt, dass in Spanien 6,2 Millionen (27,2%) und fast 60% aller jungen Menschen arbeitslos sind. Fast eine Million Stellen gingen verloren, seit der Kündigungsschutz praktisch geschliffen wurde. Die Beschäftigungswirkung blieb bisher aus. Dass der Wirtschaftsminister nicht ernsthaft an die eigene Propaganda glaubt, wird schon dadurch deutlich, dass er nicht einmal davon ausgeht, bis zum Ende der Legislaturperiode 2015 die Arbeitslosenquote unter die Marke von 25% drücken zu können.

Ähnlich negativ fällt die Bilanz auch beim Abbau der Neuverschuldung über den strikten Sparkurs aus. Am Montag hatte die europäische Statistikbehörde Eurostat gemeldet, dass das Defizit sogar 2012 auf 10,6% gestiegen sei, womit sie noch höher als in Griechenland liegt. Obwohl Rajoy 2012 bei der EU-Kommission schon zwei Mal eine Anpassung des Ziels nach oben erreichte, fiel es fast doppelt so hoch als mit 6% versprochen aus. Nun kann er aber nicht länger die sozialistischen Vorgänger verantwortlich machen, denn die hatten es 2011 auf 9,4% gesenkt. Die EU-Kommission hatte von Spanien glaubwürdige Maßnahmen gegen die "exzessiven Fehlentwicklungen" gefordert. Im Gegenzug dafür stellt Brüssel aber in Aussicht, dass Defizitziel erneut zu erhöhen. Spanien soll dann auch bis 2016 Zeit bekommen, um die Stabilitätsmarke von 3% einzuhalten. Eigentlich sollte das Defizit 2013 auf 4,5% sinken, war erst im vergangenen Herbst neu vereinbart worden. Nun bietet Brüssel sogar eine Erhöhung auf 6% an.

Spanien wird nach Ansicht von Experten noch belohnt, bisher alle Versprechen gebrochen zu haben. Dabei ist auch das Ziel von 6% illusorisch und der nächste Verstoß wird schon geplant. Spanien müsste weitere zehn Milliarden Euro einsparen, um das Ziel zu erfüllen. Das aber würde sich wieder negativ auf Konjunktur und Beschäftigung auswirken und die Rezession verschärfen.

Vize-Ministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría schloss eine erneute Anhebung der Einkommens- und Mehrwertsteuer aus. Klar ist nur, dass die für 2013 deutlich angehobene Einkommenssteuer auch 2014 so hoch bleiben wird. Sie soll erst 2015 wieder zurückgenommen werden. Sáenz de Santamaría kündigte die Anhebung von anderen Steuern und die Einführung neuer Abgaben an und sprach Steuern mit Lenkungswirkung im Umweltschutz an. F

inanzminister Cristóbal Montoro schloss aber eine erneute Anhebung der Mineralölsteuer aus, die viel Geld in leere Kassen spülen könnte. Diffus sprach er davon, für Großbetriebe, deren Umsatz über 20 Millionen liegt, könnten diverse Möglichkeiten zur Steuersenkung gestrichen werden. In welcher Höhe und wann die Finanztransaktionssteuer kommen soll, auf die sich einige EU-Staaten geeinigt haben, ließ er offen. Trotz massiver Nachfragen von Journalisten wurden zu keiner Ankündigung Details dargelegt. Damit ist sogar unklar, ob längst angekündigten Maßnahmen wirklich schneller kommen werden. Der El Economista meint jedenfalls, dass Rajoy nur versuche, Zeit zu gewinnen. Die große Schere für massive Kürzungen, die von Brüssel geforderte Arbeitsmarktreform, die weitere Anhebung des Rentenalters und Steuererhöhungen würden wohl erst Juli auf den Tisch gepackt. So war es auch im Vorjahr, weil die Regierung in den Urlaubswochen mit geringerem Widerstand rechnet.