Streit zwischen EU und Lateinamerika um Honduras

Südamerikanische Staaten drohen mit Boykott des Gipfels mit der EU wegen Einladung des umstrittenen Staatschefs. Nun wurde die Gästeliste nachgebessert

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Eineinhalb Wochen vor dem mit Spannung erwarteten Gipfeltreffen von Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, Lateinamerikas und der Karibik soll ein Eklat verhindert werden. Am Donnerstag sagte der De-facto-Staatschef von Honduras, Porfirio Lobo, seine Teilnahme an dem Treffen ab. Er wolle nicht zum Streitpunkt zwischen der EU und Lateinamerika werden, so Lobo, der dennoch nach Madrid reisen will.

Am Dienstag hatten zehn von zwölf Mitgliedsstaaten der Union Südamerikanischer Nationen ( UNASUR) mit einem Boykott des Treffens gedroht, falls die EU an der Einladung von Lobo festhält. Obgleich der rechtsgerichtete Unternehmer von der übergroßen Mehrheit der UN-Staaten und auch der lateinamerikanischen Gemeinschaft nicht anerkannt ist, hatte die spanische EU-Ratspräsidentschaft ihn eingeladen. Der Grund: Die EU will mit Mittelamerika ein Freihandelsabkommen abschließen und ohne Honduras ist das nicht möglich.

Vorreiter der drohenden Blockade sind keineswegs die Staatschefs des anti-neoliberalen ALBA-Bündnisses. Die Initiative geht in erster Linie auf die Regionalmacht Brasilien zurück. Auf dem Sondergipfel der UNASUR sprach Brasiliens Staatschef Luiz Inácio "Lula" da Silva am Dienstag in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires für den Boykott. Es habe eine "gute Debatte" über das Thema Honduras gegeben, berichtete der wie üblich auskunftsfreudige venezolanische Präsident Hugo Chávez den Vertretern der Presse nach dem Ende des UNASUR-Gipfels. So sei es Konsens unter den anwesenden Staats- und Regierungschefs gewesen, dass sich "die alten Zeiten der Putsche und Gegenputsche nicht wiederholen dürfen". Diese politische Realität des 20. Jahrhunderts habe im Lateinamerika des 21. Jahrhunderts keinen Platz mehr. Neben Chávez übten Lula und Ecuadors Präsident Rafael Correa schärfste Kritik an der Einladung Lobos durch die spanische EU-Ratspräsidentschaft.

Der Unternehmer Porfirio Lobo hatte im Januar die Staatsführung in Honduras übernommen. Seine Wahl wird von der großen Mehrheit der UNO-Staaten jedoch nicht anerkannt, weil sie unter offensichtlicher Kontrolle der Putschisten stattfand, die Ende Juni 2009 den letzten demokratisch gewählten Präsidenten des mittelamerikanischen Landes, Manuel Zelaya, gestürzt hatten. Die Einladung des nun inthronisierten Staatschefs Lobo sorgt auch für Spannungen zwischen der EU und Lateinamerika, weil europäische Kräfte die Putschisten aktiv unterstützt hatten. So befürwortet die deutsche FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung bis heute den gewaltsamen Sturz der Zelaya-Regierung. Der drohende Boykott des EU-Lateinamerika-Gipfels zeigt die tiefe Kluft, die diese Politik zwischen der EU und der demokratischen Mehrheit Lateinamerikas aufgerissen hat.

Der Protest der Regierungen wird auch von sozialen Bewegungen und Persönlichkeiten des lateinamerikanischen Kontinentes unterstützt. Ein Aufruf, der unter anderem von dem Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel und dem Theologen Frei Betto unterzeichnet wurde, fordert, "gemeinsam gegen die diktatorische Kontinuität vorzugehen, für den die Lobo-Regierung steht". Die Regierung des Unternehmers, der von der EU als legitimer Präsident eingeladen wurde, sei "aus einem Wahlbetrug hervorgegangen, der die Interessen der mächtigen Gruppen bewahren sollte". Die Einladung des Regimechefs drohe deswegen, einen "verhängnisvollen Präzedenzfall" zu schaffen.

Er werde der spanischen Regierung "unseres Freundes (des Ministerpräsidenten) José Luis Rodríguez Zapatero" die Verärgerung der südamerikanischen Staaten übermitteln, sagte Ecuadors Präsident Rafael Correa sichtlich erbost auf der Abschlusspressekonferenz des UNASUR-Gipfels. Zuvor hatte Chávez bekräftigt, dass man nicht gerne an dem Boykott festhalte. Europa aber müsse in sich gehen und seine Politik gegenüber einer Region überdenken, die sich aus dem neoliberalen Gefüge löst. Unterstützt wird die EU bei ihrer Politik nur von den Staatsführungen Perus und Kolumbiens. Die Präsidenten dieser beiden Staaten fehlten in Buenos Aires.

Die spanische EU-Ratspräsidentschaft und die Europäische Kommission stehen nun unter einem immensen Druck. Nach letzten Angaben aus Brüssel soll Lobo nach Ende des offiziellen Gipfels lediglich an einem Treffen zwischen der EU und mittelamerikanischen Staaten teilnehmen, nicht aber an der offiziellen Zusammenkunft am 18. Mai. Es ist derzeit fraglich, ob diese kosmetische Nachbesserung den südamerikanischen Staateschefs genügt. Denn die Teilnahme Lobos an der Mittelamerika-Konferenz bedeutet, dass die EU trotz der harschen Kritik aus der Region an ihren Plänen festhält, ein Freihandelsabkommen auch mit dem international isolierten honduranischen Regime zu unterzeichnen. Die damit einhergehende Anerkennung ist das eigentliche politische Problem.