Tritt der IWF nun den Kampf gegen soziale Ungleichheit an?
Im neuen Deutschland-Länderbericht beklagt die Organisation Ungerechtigkeit und kritisiert eine zu hohe Belastung unterer Einkommen
Der Bericht im Handelsblatt lässt aufhorchen, denn die Zeitung bezieht sich auf die ausstehende Veröffentlichung des Deutschland-Länderberichts des Internationalen Währungsfonds (IWF). Und man glaubt es kaum, wenn das Handelsblatt darauf referierend schreibt, dass die Washingtoner Finanzorganisation nun Maßnahmen gegen die wachsende Ungleichheit im Land fordere. So fordere der IWF eine stärkere Belastung der Vermögenden und eine Verbesserung für untere Einkommensschichten.
Inklusives Wachstum
"Der IWF hält höhere Steuern auf Eigentum für notwendig", schreibt die Zeitung mit Bezug auf den Länderbericht. So trete der IWF nun auch für stärkere Lohnsteigerungen in Deutschland ein, womit er vor allem auf ein stärkeres Wachstum setzt, was der IWF nun "inklusives Wachstum" nennt. Ein Anheizen der Inflation sei darüber nicht zu erwarten. Die Kerninflationsrate, rechnet man Lebensmittel und Energiepreise heraus, läge immer noch bei nur einem Prozent.
Insgesamt steht Wachstum wieder einmal ganz oben auf der Forderungsliste. Um mehr Wachstum zu schaffen, seien höhere Investitionen, insbesondere in die deutsche Infrastruktur nötig. Auf verstärkte Staatsausgaben zu setzen, ist nun wahrlich nicht neu. Das fordert der IWF seit Jahren von Deutschland. Die Bundesrepublik verfüge über einen sanierten Staatshaushalt, weshalb sich Berlin diese Ausgaben leisten könne. Es bestehe entsprechender fiskalischer Spielraum für höhere Staatsausgaben.
Wachstum sei die Toppriorität des IWF, wird berichtet. Es ist klar, dass der IWF hofft, dass über verstärkte Investitionen und über eine gestärkte Binnennachfrage in Deutschland auch Konjunktur im Euroraum insgesamt angekurbelt werden kann.
Erfolgsmodell gegen das IWF-Rezept
Fast könnte man meinen, dass der IWF von seinen Rezepten Abstand nimmt, mit denen er Länder wie Griechenland tief in die Misere versenkt hat. Orientiert man sich in Washington nun eher an Portugal, wo die Linksregierung erfolgreich die IWF-Rezepte über Bord geworfen hat?
Seit eineinhalb Jahren wird dort eben auf Lohnsteigerungen im unteren Einkommenssegment gesetzt. Die von der Troika (unter IWF-Führung) diktierten Renten- und Lohnkürzungen und eingeführten Sondersteuern werden zurückgenommen und der Mindestlohn erhöht, um Binnennachfrage und Wachstum zu stärken. Darüber wurde die Arbeitslosigkeit deutlich abgebaut und beides hat dazu geführt, dass - anders als im IWF-Musterland Spanien - auch die öffentlichen Kassen entlastet werden.
So konnte Portugal das Defizit massiv senken. Es wurde 2016 mit knapp 2,1% unter das Stabilitätsziel von 3% und sogar unter die Vorgabe der EU-Kommissiongedrückt.
Nicht an Hartz-IV rütteln
Wirklich kann man es dem IWF aber nicht abnehmen, dass er nun für die unteren Einkommensschichten eintritt und real fordern würde, dass die Schere endlich geschlossen und die wachsende Ungleichheit bekämpft wird. Denn, nach Ansicht des IWF, dürfe zum Beispiel an der Hartz-IV-Reform nicht gerüttelt werden. Auch Arbeitsmarktreformen dürften nicht zurückgedreht werden.
Sie hätten einen wichtigen Beitrag zur Rekordbeschäftigung in Deutschland geleistet und damit auch das Wachstum gestärkt. Ganz auf dieser Linie liegt auch, dass der IWF eine weitere Liberalisierung des Dienstleistungssektors und des Arbeitsmarktes fordert.
Damit ist eigentlich klar, dass sich der IWF tatsächlich nicht an Portugal orientiert, wo die Arbeitsmarktreformen der Konservativen geschleift werden, sondern man sich in Washington dann doch eher an Spanien orientiert. Hier wurden über die Reformen der Konservativen die Rechte der Beschäftigten fast komplett beseitigt, Kündigungsschutz gibt es praktisch nicht mehr.
Auch die Abfindungen wurden zusammengestrichen, denn beides seien Momente, die Beschäftigung und unbefristete Verträge verhinderten, hört man gerne als neoliberales Leitmotiv vom IWF. Man fragt sich dann aber, warum die spanische Arbeitslosigkeit noch bei 18.2% liegt, während sie in Portugal nur noch 9,8% ausmacht.
Modell Spanien
An den prekären Beschäftigungsverhältnissen hat sich in Spanien nichts verändert. Ungewollte Teilzeit und befristete Beschäftigung feiern weiter Urstände. Noch immer sind fast 91% aller Verträge befristet, etwa 25% sogar nur auf eine Woche. Für Spanien fordert der IWF auch weiterhin neue Arbeitsmarktreformen, weil ihm der Arbeitsmarkt noch immer nicht genug liberalisiert ist.
Man darf gespannt sein, wie der Länderbericht tatsächlich ausfällt, der am kommenden Montag veröffentlicht wird. Erst dann kann beurteilt werden, ob der IWF tatsächlich auf eine gewisse Distanz zur bisherigen Politik geht. Möglich ist aber, dass von Deutschland gegenteilige Maßnahmen zu denen gefordert werden, die sonst vom IWF den Krisenländern verordnet werden, damit Deutschland mit Mehrausgaben als Konjunkturlokomotive für Europa dient.