Ukraine-Krieg: Chinas konsequenter Pragmatismus

Verhandlungen zwischen Russland und China, geführt von Putin und Xi Jingping. Archivbild (2016): Kremlin.ru/ CC BY 4.0

Während Brüssel und Washington Beijing im rüden Ton drohen, ist dieses bemüht, sich nicht in den Konflikt hineinziehen zu lassen

Die Nato-Staaten setzen China kräftig unter Druck, sich im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine voll auf ihre Seite zu schlagen. China solle sich an den Sanktionen beteiligen, und dies in einem Ton, den manche in Asien als Drohung verstehen. Schnell sind Unterstellungen zur Hand, die Volksrepublik würde dem angreifenden Russland Waffen liefern und ihm den Rücken stärken.

Die Realität sieht derweil etwas anders aus, als man sich das in der moralisch aufgeladenen Blase der westlichen Staatenwelt so vorstellt. Nicht alles ist schwarz, nicht alles weiß. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass in Afrika, im Nahen Osten und in Südostasien viele Staaten zögern, sich vorbehaltlos hinter die Position Washingtons, Berlins oder Brüssels stellen, die offenbar nicht nur – natürlich zurecht – den Krieg verurteilen, sondern vor allem die russische Regierung, wenn nicht Russland selbst in die Knie zwingen wollen.

China hat dabei mehrfach betont, dass es die Angriffe auf die territoriale Integrität der Ukraine nicht gutheißt, und es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass es Interesse hat, in die Auseinandersetzung zwischen den Nato-Staaten und ihren Verbündeten einerseits und Russland andererseits hineingezogen zu werden.

In diesem Zusammenhang ist interessant, was der Kommentator der in Hongkong erscheinenden South China Morning Post, Alex Lo, schreibt. Demnach scheint Beijing trotz der offenen Kritik an den Sanktionen bemüht, diese nicht zu brechen.

So hätten zum Beispiel staatliche chinesische Unternehmen den Verkauf von Teilen an die russische Luftfahrtindustrie gestoppt. Auch seien chinesische Investitionen in die russische Gasinfrastruktur auf Eis gelegt worden. Im Übrigen habe China weder die russischen Annexion der Krim noch die sogenannten, von Moskau abhängigen Volksrepubliken anerkannt.

Dass dennoch China in so einer aggressiven Weise vor der Unterstützung Russlands gewarnt wird, lässt Lo vermuten, dass die Falken in Washington genau dies am liebsten sähen. Die chinesische Regierung sei in einer Klemme, aber intelligent genug, den USA keinen Vorwand für eine Eskalation in der Indo-Pazifik-Region zu liefern.

Lo weist ansonsten darauf hin, dass Washingtons Umgang mit Indien ein ganz anderer, viel vorsichtigerer ist, obwohl auch Neu-Delhi sich nicht an der Front gegen Moskau beteiligen mag und an seinen traditionell guten Beziehungen zu Russland festhält.

Der Grund ist simpel: Indien wird für die Einkreisung Chinas gebraucht und darf nicht entfremdet werden. Deshalb kann man in Washington, Brüssel und Tokio auch spielend darüber hinwegsehen, dass das Land fest im Griff einer rechtsextremen Partei ist, zu deren festen Repertoire Pogrome gegen Moslems gehören.